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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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wieder auf das festgewickelte Blatt Papier richtete, stellte er
fest, dass der Stift offenbar von allein weitergearbeitet hatte. In der dünnen
Bleistiftschicht bildeten sich jetzt eine Reihe verschnörkelter Zeichen ab.
    Während
sein Mund immer trockener wurde, sah er, wie der Bleistift sich immer
schneller bewegte, als würde er von einer anderen Hand geführt werden. Als das
erste Blatt vollgezeichnet war, riss die Hand - obwohl er es wirklich nicht
mehr mit ansehen wollte - automatisch ein neues Blatt aus dem Block, wickelte
es um eine andere Stelle des Schafts, und die Bleistiftspitze begann erneut zu
arbeiten.
    Es ließ
sich nicht aufhalten:
     
    Die Muster
befanden sich überall, am Schaft, am Querbalken, an der Ose, und bald lagen
Mengen an Notizblättern voll mit verschlungenen Zeichen über den gesamten
Tisch verteilt.
    Erik schüttelte
den Kopf, um das Gefühl der Lähmung loszuwerden; war er hier nur eine Art ... Zuschauer?
    Dann
folgten zwei Blitze direkt aufeinander, und während des nachfolgenden Donners
gelang es ihm endlich, das Ganze zu stoppen - den Stift
loszulassen - und seine Hände ganz langsam wieder in die Richtung
zu bewegen, die er selber vorgab. Im Augenblick wünschte er sich nichts mehr,
als die Blätter mit ihren verschlungenen Zeichen zu einem Haufen in der Mitte
des Tisches zusammenzuraffen. Im spärlichen Licht konnte er jedoch nicht genau
erkennen, was er tat. Das Einzige, was er ganz sicher wusste, war, dass all
das hier unmittelbar verschwinden musste.
    Im Licht
des nächsten Blitzes zerknüllte Erik die vollgekritzelten Blätter und trug sie
zum Kaminofen. Dort ging er in die Hocke, öffnete die Klappe und warf sie
hinein.
    Endlich
folgte der Donner.
    Er
wartete, bis das Grollen abgeklungen war, und zündete ein Streichholz an.
Führte das brennende Zündholz in den Ofen und ließ es los. Erst geschah gar
nichts, doch dann begann es zu knistern, und das Papier brannte.
    Er setzte
sich auf den Boden, umschlang seine Knie und sah vor seinem inneren Auge, wie
das verdammte Kreuz im Waldsee verschwand; nicht nur als unrealistischer
Gedanke, nein, es musste jetzt sofort geschehen, er wollte es nie wieder
anfassen. Vielleicht lag es am Alkohol, doch da hinten am Tisch hatte -
    Der
plötzlich einsetzende Schmerz ließ ihn ruckartig den Kopf zur Seite drehen. Was war
das bloß ...
    Er
befühlte mit der Hand seinen Hinterkopf.
    Da war
etwas, das ... ihm einen brennenden Schmerz versetzt
hatte, wie ein elektrischer Schlag, er schoss von den Halswirbeln wie ein
Projektil in Richtung Stirn, und als Erik sich zum Küchentisch und zu den
Scheiben der Sprossenfenster umdrehte: War da etwa jemand?
    Er konnte
nur eine vage Silhouette seiner selbst erkennen; der sintflutartige Regen hatte
das Fensterglas in einen verschwommenen Spiegel verwandelt. Ein neuerlicher
Blitz, und dann war das Gewitter direkt über ihm.
    Er machte
ein paar schnelle Schritte, um die schützende Wand neben dem Fenster und dem
Sofa zu erreichen. Hier zwang er sich, tief durchzuatmen, bevor er die Gardine
vorsichtig einen Spaltbreit zur Seite schob, um einen Blick nach draußen
werfen zu können.
    Irgendwer
dort?
     
    Anfänglich
konnte er durch die massive Regenwand hindurch nicht mal den Garten erkennen,
doch allmählich gewöhnten sich seine Augen daran, so dass er die Konturen der
Glasveranda ausmachen konnte. Erik ließ seinen Blick die Regenrinne hinunter
auf die mit Wasser getränkte Grasfläche wandern und dann ein Stück nach rechts,
bis der grüne Nebel in Grau überging. Fast vollständig weggespülte Spuren der
Harke auf dem Kiesweg, der voller Pfützen stand dann kamen die Reihen mit
Stachelbeer- und anderen Sträuchern, bis der erste Torpfosten auftauchte, und
dort war ... eine Hand?
    Ein
schwarzer Schatten, der sich hinter dem Tor des Gartenzauns abzeichnete.
    Die
Gardine bewegte sich leicht, als Erik sich wieder zur Wand zurückzog. Das konnte
doch wohl nicht...
    Dann
schien es, als hätte jemand unvermittelt die Lautstärke gesenkt, von heftigem
Donnern hin zu Grollen, von Hämmern zu einem gleichmäßigen Tropfen des Regens.
    ...
Titelman sein?
    Die
langanhaltende Stille in Erwartung des nächsten Donners - doch stattdessen
wurde es langsam wieder heller.
    Vom
Fenster aus zeichnete sich bald ein weißes Rechteck auf dem Küchenfußboden ab,
und Erik schob sich lautlos von der Wand weg. Seine Finger hinterließen Spuren,
zwei Fächer, zehn feuchte Abdrücke.
    Als er
sich ein weiteres Mal ans Fenster traute,

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