Wallentin, Jan
ihr klar, dass sie einen großen Fehler begangen
hatte.
Sie spürte
die Kälte des Kreuzes an ihrer Brust unter der Lederkluft. Kam auf die Füße und
klopfte sich den Sand ab.
Auf dem
Weg zurück zum Motorrad warf sie die Chipkarte des Handys in einen Papierkorb.
Das Handy selbst schleuderte sie übers Geländer der Brücke über den Großen
Belt, kurz bevor sie Fünen erreichte.
Jetzt
würde sich die leichtgewichtige Konstruktion mit dem Boxermotor und den
Magnesiumfelgen bezahlt machen: nur noch achtzehn Meilen bis nach Flensburg auf
der deutschen Seite der Grenze. Danach auf der A7 nach Hannover und dann in
Richtung Nordrhein-Westfalen abbiegen.
Jetzt
begann ihr Körper bis hinauf an die Stelle am Oberarm unter der Bandage zu
schmerzen. Sie spürte, dass sie sich verlieren musste, sich endlich im Rausch
der Geschwindigkeit verlieren musste.
Die Vernehmung
Zuerst
hieß es EPA, dann Tempo und jetzt Ählens, und kurz bevor sich die automatischen
Türen mit einem zischenden Geräusch schlossen, schaffte es eine schwangere Frau
mit einem Kinderwagen gerade noch nach draußen. Vor dem Systembolag saßen zwei
stark geschminkte Mädchen und warteten auf einen geeigneten Dealer, und auch
wenn es sich in dem Moment keine von ihnen bewusst machte - Faluns
Shoppingmeile Äsgata war wirklich verdammt öde.
Wenn man
ihr in Richtung Kristinegatan und dem mit Kopfsteinpflaster versehenen Stora
torg folgte, befand man sich immer noch auf der Seite der Stadt, die »die
Liebliche« genannt wurde. Doch wenn man am Fisketorg den Fluss überquerte,
gelangte man in den Teil der Stadt, der am nächsten zum Kupferbergwerk lag und auf
jahrhundertealter Schlacke erbaut worden war. Diese Seite nannte man »die
Schauerliche«, und hier lag direkt hinter der Brücke das Polizeipräsidium von
Falun.
Ende der
1960er Jahre hatte es eine Menge Proteste gegeben, als man ein altes Badehaus
sprengte und abriss, um Platz für das hässliche Betongebäude zu schaffen,
dessen Vorderseite sich wie ein liegender Halbmond nach innen wölbte. Die
gebogene Fassade war mit rechteckigen teerfarbenen Steinplatten verkleidet, und
entlang der Einwölbung verliefen zwei Reihen schallisolierter Fenster, hinter
denen die weißen Jalousien zugezogen waren, um die Strahlen der Vormittagssonne
auszusperren.
In der
einen Ecke des Gebäudes befand sich im ersten Stock hinter heruntergelassenen
Jalousien einer der vier Vernehmungsräume des Dezernats für Kriminal
verbrechen. Im Halbdunkel lag ein aufgeblätterter Notizblock auf einem Tisch
aus plastikartigem Birkenlaminat, in den mit krakeliger Handschrift Stichworte
notiert waren. Vor dem Block hatte jemand einen uralten Kassettenrekorder
platziert, dessen Aufnahmetaste heruntergedrückt war. Doch im Moment
registrierte das Mikrophon lediglich das Rauschen des Ventilators sowie ein
monotones Knacken, das von einem Wackelkontakt der Neonröhre an der Decke
herrührte.
Auf dem mit
schwarzem Stoff bezogenen Stuhl saß eine gekrümmte Gestalt in einem
Manchesterjackett mit rot unterlaufenem Blick und Pilotenbrille. Direkt
gegenüber auf der anderen Seite des Tisches hockte ein mürrischer verschnupfter
Beamter der Faluner Polizei mit Schnauzbart. Sie saßen schon mehrere Stunden so
da.
Dann
richtete sich der Schnauzbart auf, um einen erneuten Versuch zu unternehmen
weiterzukommen.
»Lassen
Sie uns noch einmal ganz von vorne anfangen. Aus welchem Grund waren Sie
gestern Nacht zu Hause bei Erik Hall?«
Don machte
nicht einmal einen Ansatz zu antworten. Der Polizist vor ihm war ganz klar ein shmendrik, wie Bube ihn genannt hätte, ein
Idiot, und wie oft man diesem Idioten hier auch versuchte etwas zu erklären,
schien es unmöglich, es ihm verständlich zu machen.
Die
Fragerei hatte bereits begonnen, als die Polizisten mit ihren neongelben
Reflexwesten in Richtung Steg hinunterkamen. Mag sein, dass er die Dinge im
Hinblick auf die Menge an Dolcontin, die er geschluckt hatte, anfänglich etwas verwaschen
beschrieb, doch inzwischen hatte er seine Version so oft wiederholt, dass der
einzige Grund noch weiterzufragen offensichtlich darin bestand, dass die wahre
Version in irgendeiner Weise nicht taugte.
»Sie
schlafen mir hier doch nicht etwa ein?«, fragte der Schnauzbart.
Don nahm
seine Brille ab und begann sie sorgfältig mit seinem Taschentuch
sauberzuwischen.
Die
Polizei hatte seine Erklärung bereits zu hören bekommen, nämlich dass er von
Erik Hall eingeladen worden war, um das Kreuz
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