Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
Vom Netzwerk:
Kostümrock zusammenpresste. Dann wandte sie sich ihm zu
und fragte:
    »Sind Sie
sicher, dass Sie nicht vergessen haben, mir etwas zu berichten?«
    Doch Don
hatte keine Antwort parat, während der Dünnhaarige einmal den Wagen umrundete
und alle Türen zuschlug.
    Als er den
Motor angelassen hatte, und sie losfuhren, passierten sie langsam den
Schnauzbart. Das Letzte, was Don sah, war, wie sich der shmendrik umdrehte,
sich am Kopf kratzte und langsam zum Eingang des Polizeigebäudes
zurücktrottete.
     
    An der
ersten Ampel verriegelten sich die Hintertüren automatisch.
    »Jetzt
klären Sie uns bitte darüber auf, wohin Sie uns fahren«, forderte Eva Strand.
    Der
Sicherheitspolizist warf ihr durch den Rückspiegel lediglich einen
gleichgültigen Blick zu, bevor er wieder auf die Ampel schaute, die gerade auf
Grün umsprang.
    »Es kann
sich nur um ein Missverständnis handeln«, sagte sie wie zu sich selbst.
    Der Wagen
fuhr wieder an.
    Ihre
Finger trommelten gegen die Handtasche. Don fiel auf, dass die Haut an ihren
Händen ziemlich dünn war und wie ein Schleier über ihren Adern lag.
    Dann fuhr
sie fort, ihre frustrierten Fragen an die Säpomänner zu richten, doch nach
einer Weile hatte Don keine Kraft mehr zuzuhören. Stattdessen wanderten seine
Gedanken zurück zu der langen Vernehmung. Doch wie er es auch drehte und
wendete, er hatte keine Ahnung, wie er sich hätte anders verhalten sollen. Es
musste sich in der Tat um ein idiotisches Missverständnis handeln, nur Got
vayst far vus, weiß Gott warum. Wahrscheinlich würde er schon bald
wieder zurück in seinem sauerstoffarmen Kabuff im Historischen Institut in Lund
sein, zwischen Stapeln durcheinandergeratener Vorlesungsaufzeichnungen und
ungelesener Studentenaufsätze.
    Don kramte
ein Aluminiumkärtchen mit tröstendem Halcion hervor, einem leichten
Schlafmittel. Er drückte mehrere weiße Tabletten heraus. Legte sie sich auf
die Zunge, schluckte und schielte zur Seite auf die Fensterleiste mit dem
verschlossenen Türknopf.
    »Also ...
Die Türen bleiben geschlossen.«
    Erneut der
desinteressierte Blick des Dünnhaarigen im Rückspiegel. Don lehnte seinen Kopf
zurück gegen die Kopfstütze, schloss die Augen und wiederholte im Stillen:
    »Die Türen
bleiben geschlossen. Und wenn ihnen Wasser so sehr gefällt, wird ihnen Jauche
noch viel besser gefallen.«
     
    In der Dunkelheit
hinter seinen Augenlidern glitt er durch die Türen des 50er-Jahre-Hauses
hinein, und es war wieder Sommer. Er lag auf einem nach Staub riechenden
Teppich und lauschte der Stimme seiner Großmutter. Er hatte es sich angewöhnt,
mit geschlossenen Augen unter dem Glastisch zu ihren Füßen zu liegen, während
sie erzählte. Die Türen bleiben geschlossen ...
    Die Worte
hatte sie an einem verlassenen Bahnhof in den polnischen Buchenwäldern gehört,
wo ihr Güterwaggon auf der langen Fahrt vom Warschauer Ghetto zum
Konzentrationslager Ravensbrück angehalten hatte. Vierzig Grad Hitze, brennend
heiße Sonnenstrahlen, die durch die verrosteten Verstrebungen in die engen
Waggons aus Blech drangen. Dort hatten sie fünf Tage lang gestanden und
gewartet, vergessen auf einem Abstellgleis im Eisenbahnchaos der Vernichtung.
    Bube war
mit ihren nackten Füßen auf den Körpern derer herumgetrampelt, die schon
erstickt waren, wenn sie nicht gerade von dem Druck derer, die noch stehen
konnten, nach oben an die Decke gehoben wurde. Fast zweihundert jüdische
Männer, Frauen und Kinder hatten die Deutschen in die Güterwaggons hineingepresst
und die Schiebetüren verriegelt. Es war während der Hundstage im August, und
sie hatten nichts zu trinken bekommen. Doch als die Schreie nicht mehr
auszuhalten waren, wurde es einem der Deutschen zu bunt.
    Sie hatten
gehört, wie eine Feuerwehrspritze angeschlossen wurde und einige Augenblicke
später Wasser durch die Ritzen drang. Doch die Geste war sinnlos, da das
rostige Metall so heiß war, dass das meiste unmittelbar verdampfte. Und der
Offizier war wahnsinnig geworden, toytmeshuge, angesichts
der Wasserverschwendung, und derjenige, der die Pumpe auf den Waggon gerichtet
hatte, wurde verprügelt wie ein Hund. Daraufhin hörte Bube folgende Worte:
    »Die Türen
bleiben geschlossen. Und wenn den Juden Wasser so sehr gefällt, wird ihnen
Jauche noch viel besser gefallen.«
    Daraufhin
waren die Wachen der SS, die in ihren schwarzen Mänteln wie ein Schwarm Raben
aussahen, auf das Dach des Waggons geklettert. Dort hatten sie ihre Hosen
aufgeknöpft und in die

Weitere Kostenlose Bücher