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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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Löcher des rostigen Blechdachs gepinkelt. Bube hatte so
starken Durst gehabt - a shande! was für
eine Schmach! -, dass sie sich über die Rücken der Kinder hinweg nach oben
gehangelt hatte, um ihren Mund mit dem warmen Urin der Deutschen zu füllen.
     
    Der Wagen
schlingerte ein wenig, und durch seine verklebten Wimpern hindurch gelang es
Don, ein Hinweisschild mit der Aufschrift »Enköping 42 Kilometer« zu erkennen.
    Seine
Magensäure hatte offenbar endlich das Triazolam in den weißen Halciontabletten
aufgelöst, denn als er das nächste Mal die Augen schloss, kam es ihm vor, als
hätte jemand einen Stecker herausgezogen.

 
    Als er
erneut das Gefühl hatte, wach zu sein, spürte Don, wie sein Körper langsam
sank. Er sank schwebend wie eine Feder durch eine Schlucht hinab, vorbei an den
abgerundeten Wänden eines Tunnels. Und als es ihm endlich gelang, seine
zugeklebten Wimpern zu öffnen, sah er, wie aus dem Inneren der Wände ein
blauviolett glänzender Schein drang.
    Er
schwebte wie ein Schatten an den Lichtstrahlen vorbei, doch dann öffnete sich
unter ihm ein gewaltiger Hohlraum. Er wurde immer schneller hinabgesogen, bis
er schließlich in einer dicken Staubschicht landete.
    Er sank
bis zu den Waden darin ein, und als er seine Stiefel bewegte, wirbelte der
Staub auf und breitete sich wie ein Fächer in dem violetten Licht aus. Don
machte einen weiteren Schritt vor und spürte, wie er nahezu segelte und seine
Füße aufsetzen konnte, als besäße er kein Gewicht.
    Seine Füße
paddelten in Zeitlupe über die Staubschicht hinweg, und ganz am Ende des
Hohlraums erkannte er den Rand eines Beckens. Aus dem Wasser im Becken erhob
sich ein Stein, auf dem etwas lag, das einem Bündel glich. Nein, kein Bündel
... dort saß jemand, jemand, der sein Gesicht unter strähnigem schwarzen Haar
verbarg.
    Don hörte
eine Stimme vom Stein her, die er meinte wiederzuerkennen. Sie klang
unangenehm schrill, und auf die Entfernung hin, war es unmöglich, einzelne
Worte auszumachen. Er musste ... in das kalte Becken hinein, watete auf den
Stein zu und stand plötzlich bis zum Bauch im Wasser. Zugleich legten sich
eiskalte Finger um seinen Hals und schnürten ihm langsam die Luft ab.
    Als er
endlich angekommen war, tastete er mit der Hand nach dem langen Haar, das vor
dem Gesicht der Frau herunterhing. Doch dann hielt er inne, denn er musste aus
irgendeinem Grund an Bube denken, deren schwarzes Haar er nie offen gesehen
hatte; es war immer zu einem Knoten hochgesteckt. Und er wusste, dass er die
Bedeutung jedes einzelnen Wortes kannte, das sie jetzt murmelte, aber er
konnte sie dennoch nicht verstehen:
    »Di nacht
kumt. Red tsu der vand, di nacht kamt. Die Nacht bricht herein, und ich
rede gegen eine Wand.«
    »Bube?
Großmutter?«
    Don war
nahezu sicher, dass er die Frage laut ausgesprochen hatte, doch er konnte seine
eigene Stimme nicht hören. Im selben Augenblick begann ein heller Schein durch
das strähnige Haar hindurchzudringen, und als er über den Kopf der Frau
hinwegschaute, sah er, dass sich hinter ihrem Rücken ein mehrere Meter hohes
Rechteck aus Licht erhob.
    »Loz mir tsu
ru, Don. Loz mir tsu ru, lass mich in Ruhe. Er wollte so
gerne sagen, dass er sie nie alleinlassen würde, doch der eisige Griff um
seinen Hals wollte einfach nicht loslassen.«
    »S'iz
nisht dayn gesheft«, kreischte die schrille Stimme. »Es
geht dich nichts an.«
    Unterhalb
der Abschnürung in seiner Kehle sammelten sich Mengen von neuen Worten, doch es
gelang ihm nicht, eine Antwort durch die Eisschicht hindurchzupressen. Sie
steckte wie ein erstickender Propfen in seinem Hals.
    »S' IZ
NISHT DAYN GESHEFT, DON!«
    Im selben
Augenblick, in dem Bubes Schreie im Hohlraum verklangen, schien es, als würde
jemand durch das weiße Rechteck hinter ihr kräftig hindurchblasen, so dass sich
erneut ein Schauer aus glitzerndem Staub vom Boden löste.
    Die
Staubwolke schwebte durch die Luft, vorbei an Bube auf dem Stein, und genau in
dem Moment, als sie auf Don zuschwebte, schien es, als würde jemand nach ihm
greifen. Er spürte, wie er an den Armen nach hinten oben gezogen wurde und
schließlich wieder zurück in Richtung des Tunnels schwebte.
    Als er den
Kopf drehte, um herauszufinden, was ihn festhielt, sah er, dass sich der Staub
zu einer Gestalt mit einem Gesicht aus Licht geformt hatte. Das Gesicht besaß
zwei Löcher als Augen, und auf seiner Stirn befand sich etwas Schwarzes, das
sich extrem schnell drehte.
    Tief unter
sich hörte er wieder

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