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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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1897 in
Richtung der Felsen von Svalbard und Danskön durch zerbrochene Eisblöcke
hindurch. Ich weiß nicht, ob Sie die Bilder gesehen haben, aber Andree und
Strindberg wirken recht unvorbereitet, als sie da Seite an Seite an Deck des Kanonenbootes
Svensksund stehen. Zwei feingliedrige Männer in Anzügen und mit goldenen Uhren,
die Hände unter den Ärmelaufschlägen vergraben. Das einzige Mitglied der
Expedition, das Erfahrung mit körperlicher Arbeit besaß, war Knut Fraenkel,
dessen Teilnahme Andree aufgrund seiner physischen Kräfte gefordert hatte. Der
Grund bestand wohl darin, dass Fraenkel den zweihundert Kilo schweren
Schlitten würde ziehen können, falls man wider Erwarten auf dem Weg zum Ziel
havarieren sollte. Fünf Wochen lang wartete man auf die richtigen Winde. Nils
Strindberg vertrieb sich die Zeit damit, Violine zu spielen und Briefe an seine
Verlobte Anna Charlier zu schreiben, während die Matrosen aus Svensksund den
Stoff des Ballons verstärkten und abdichteten. Man hatte es nicht geschafft,
den Ballon, den Andree und Strindberg beim Hersteller Henri Lachambre bestellt
hatten, vorher Probe zu fahren. Am 11. Juli änderte sich endlich das Wetter:
Der Wind blies in Richtung Nordost.«
    Eberlein
öffnete das grünkarierte Heft mit dem Wachstucheinband. Don erkannte Nils
Strindbergs Handschrift wieder; die Worte darin waren allerdings nicht in
Stenographie verfasst, sondern ausgeschrieben.
    »Das hier
ist sein Reisetagebuch, angefangen in der Mittagszeit kurz vor der Abfahrt.«
     
    Das erste
Blatt war beschädigt; ein dünner Papierfetzen, den Eberlein vorsichtig zur
Seite schob. Am oberen Rand des nächsten Blattes war angemerkt:
     
    Danskön,
Virgohamna. 11. Juli 1897
    geschrieben
in Lee auf der Nordseite der Ballonhalle
     
    Eine
Skizze zeigte, dass Nils Strindberg den Bunsenbrenner ein letztes Mal
angezündet und Stern und Kreuz zusammengeschmolzen haben musste, um die
aktuelle Position des Strahls herauszufinden: Darunter stand eine
verschwommene Notiz mit Tinte:
     
    lh27 p.m.
Greenw. aktuelle Position d. Strahls: lat. 84°10'N-long. 30°45'O geschätzte
Distanz v. Danskön: 586 Kilometer Wind lt. Fraenkel: 7 sek. a. SW, stark böig
     
    Neben den
Distanzangaben war ein »beglaubigt« und ein A hingeworfen.
    Es sah
aus, als wäre das Blatt im Augenblick des Niederschreibens mit Wassertropfen
bespritzt worden, denn der Text, der den Rest der Seite bedeckte, war nahezu
völlig verlaufen. Die Worte, die Don entziffern konnte, handelten von
Überlegungen im Hinblick auf die Tragkraft des Ballons und seine bemerkenswert
geringe Belastbarkeit.
     
    Eberleins
Stimme erklang von der anderen Seite des Tisches:
    »Die
Vorderseite der Ballonhalle war geöffnet worden, Andree und Frankel hatten
bereits in der Gondel Platz genommen, und die Brieftauben waren in ihren Körben
festgezurrt - dennoch dieser letzte Ausdruck von Zweifel. Was die Abfahrt an
sich betraf, muss man sich auf Aussagen von Augenzeugen berufen: wie Strindberg
Andree zunickte, Order zu geben, alle Trosse zu kappen. Woraufhin drei
knallende Geräusche erfolgten, als die Seile, die den Ballon verankerten,
durchschnitten wurden. Der Ballon stand einen Augenblick lang unbeweglich da,
doch dann begann Frsenkel, die drei Segel zu hissen.
    Unter
ihnen entfernte sich der Boden, und sie schwebten schwerelos. Als man die Ballonhalle
nahezu verlassen hatte, ergriffen die Winde das Fahrzeug und pressten es ein
letztes Mal gegen die Holzwand. Doch dann stieg es auf eine Höhe von fünfzig
Metern und trieb hinaus über Danskön und Virgohamna. Man hatte mit der Taufe
bis zur Abfahrt gewartet. Die Geschäftsleute hatten den deutsch klingenden
Namen Adler anstelle von Nobels Vorschlag Le Pole
Nord gefordert.«
     
    Eberlein
blätterte in Strindbergs Wachstuchheft einige Seiten vor. Die nächste
Zeitangabe lautete:
    3h33 p.m.
Greenw. Adler vorbei an Danskgattet
     
    Ganz oben
auf der Seite erblickte Don einige Notizen zum Wetter. Dann folgten Begriffe
wie Bier und belegte Brote, eine Skizze von Vögeln, die neben der Gondel
herflogen, und eine Notiz, dass Andree sich gerade oben auf den
Instrumentenring gestellt hatte, um zu pinkeln. Eine kurze Anmerkung, dass der
letzte Gruß an die Verlobte Anna versiegelt und abgeworfen worden war, als man
die Insel Vogelsang überflog. Danach doppelt unterstrichen:
     
    Fraenkel
weiß es!
     
    Don sah zu
Eberlein auf.
    »Die Sache
mit Fraenkel kam für Strindberg wie eine Überraschung. Man hatte alle
Messungen in

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