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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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aussprach:
    »Devi
darmi la, Elena, gib es mir. La croce, das Kreuz, Elena,
dammela.«
    Sie hielt
die Messerspitze ein weiteres Mal in die Gasflamme, diesmal zitterte sie. Sie
ließ die Haut verbrennen, bis ihr schwarz vor Augen wurde. Sank zu Boden,
presste die Hände vors Gesicht, doch es wurde einfach nicht still.
     
    Der Adler
     
    Mitten auf
dem Tisch neben einem Stapel vergilbter Papiere stand ein Metallschrein. Auf
den Stühlen mit grünem Lederbezug und Messingbeschlägen saßen drei Gestalten,
und hoch über ihnen wölbte sich die Decke der Bibliothek in einer Villa auf
Djurgärden aus der Zeit der Jahrhundertwende.
    Vor den
untersten Reihen von Büchern mit schwarzem Einband, die die Wände bedeckten,
saß der Mann, der einer Kröte glich. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass er
dort auf seinem Stuhl eingeschlafen war, doch nach den heruntergezogenen
Mundwinkeln zu urteilen war klar, dass er zuhörte.
     
    Das letzte
Blatt von Nils Strindbergs Aufzeichnungen aus dem Laboratorium war aus
mehreren einzelnen Bögen zusammengefügt worden, und als Eberlein es vor Eva und
Don auseinanderfaltete, bedeckte es den größten Teil des Tisches unter den Glaslampen.
Wie auf den Zeichnungen zuvor wölbte sich hier eine hohe Himmelssphäre über
dem Kreuz, in dessen Mitte das Sternbild des Kleinen Wagens stand. Unter dem
Himmel war die Geographie der Nordhalbkugel dieses Mal mit minuziöser Sorgfalt
eingezeichnet worden.
    Von den
ersten hastigen Skizzen, in denen die Konturen der Küstenlinien kaum zu
erkennen waren, war Strindberg zu einer detaillierteren Kartenprojektion
übergegangen, in der der Nullmeridian in einer exakten Ausrichtung von
Greenwich in London hinauf zur Arktis und dem Nordpol verlief. Östlich von
dieser Linie breitete sich ein bogenförmiges Netz von Vierecken in Richtung
Spitzbergen aus, und direkt nördlich der Inselgruppe befand sich eine kreisförmige
Markierung mit folgender Anmerkung:
     
    an jedem
3. Tag neue Strahlenposition regelmäßig wiederkehrend innerhalb dieses
Umkreises:
     lat.
82°10'N-84°20'N long. 21 o 0'O-39°20'O durchschnittl. Radius des
Gebiets 65 Seemeilen = 120 km
     
    »Einiges
deutet darauf hin«, sagte Eberlein, »dass Nils Strindberg bereits Mitte Juli
1895 Kontakt zu dem Ingenieur aufgenommen hat. Doch diese Karte wird zum ersten
Mal Anfang August in den Anmerkungen zu ihrer Zusammenkunft in Gränna erwähnt.
Wie Sie sehen, war der junge Physiker zu diesem Zeitpunkt ganz sicher, dass
sich der Strahl innerhalb eines Radius von ungefähr zwölf Meilen bewegte. Auf
welchen Punkt der Polarstern auch immer wies, lag das Ziel unmittelbar nördlich
von Svalbard und würde, theoretisch betrachtet, mittels einer kurzen
Ballonfahrt über das Eis zu erreichen sein.«
    Don
stützte den Kopf in seine Hände, während er vornübergebeugt dasaß und auf die
zusammengeklebten Papierbögen schaute. Auf Höhe der nördlichen Spitze von
Spitzbergen standen einige halb verblasste Zeilen, die in einer pedantischeren
Handschrift abgefasst waren als die von Strindberg und mit folgender Frage
begannen:
     
    starke
nordöstliche Winde?
     
    »Wir
wissen nicht, was Ingenieur Andree von dieser ersten Begegnung mit dem
zweiundzwanzigjährigen Physiker aus Stockholm hielt, der mit Karte und Bunsenbrenner
erschien, doch Nils Strindberg beschreibt sie als Enttäuschung.«
    Eberlein
strich vorsichtig eine Falte im Papier glatt, die sich entlang der Konturen
des Ärmelkanals gebildet hatte, und fuhr fort:
    »Strindberg
ging natürlich davon aus, dass Andree sein Gerede von einer Fahrt zum Nordpol
mit dem Heißluftballon ernst gemeint hatte, und anfänglich schien es auch so.
Während eines einfachen Mittagessens in seinem Haus schwärmte Andree an diesem
Augusttag von den perfekten Flugbedingungen in der Arktis. Von der
Mitternachtssonne, die mit ihrem Licht die Navigation erleichtern und dafür
sorgen würde, dass die Fahrt in der Gondel warm und behaglich wäre. Er
beschrieb das System mit Schleppseilen und Segeln, die es ermöglichen würden,
den Ballon zu steuern, und sprach von dem milden Sommerwetter, das zu erwarten
sei. Nils hatte natürlich von den Plänen des Ingenieurs gehört, die Zeitungen
schrieben zu diesem Zeitpunkt von nichts anderem, und aus diesem Grund war auch
er nach Gränna gekommen. Doch in seinen Anmerkungen zu dem Treffen schreibt
er, dass sich der Enthusiasmus bei Andree legte, je weiter das Essen
fortschritt, und dass das Gespräch nach einer Weile im Sande verlief.

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