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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strindbergs Stern
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hier ist kurz nach
Mitternacht in der Dämmerung des 12. Juli aufgenommen worden, und die Position
des Strahls hatte sich bis dahin nicht verändert.«
    Er
blätterte im Tagebuch weiter vor, und mit jeder Seite wurde Strindbergs
Handschrift krakeliger.
    »Es war
die Kälte der Wolken und der Verlust des Wasserstoffs, der den Ballon sinken
ließ. Am Morgen des 12. Juli hatten das tragende Flechtnetz und die
Schleppseile angefangen einzufrieren, so dass sich das Gewicht des Adlers um nahezu
eine Tonne erhöhte. Alle fünfzig Meter stieß die Gondel nun gegen das Eis, und
wie Sie sehen, hatte er große Schwierigkeiten zu schreiben. Ihr Kurs wich zu
stark in Richtung Osten ab, und sie stritten darüber, wie sie den Ballon wieder
in die vom Bunsenbrenner angezeigte Richtung würden bringen können. Gegen
dreiundzwanzig Uhr begaben sich Fraenkel und Strindberg zur Ruhe, doch an
Schlaf war nicht zu denken.«
    Eberlein
wies auf folgende Zeilen:
     
    »das
Rasseln der Leinen im Schnee - das ewige Klappern der Segel«
     
    Auf der
nächsten Seite:
     
    »die
Polboje geopfert«
     
    »Am Tag
darauf, dem 13. Juli, hatten sie alles, was sie entbehren konnten, über Bord
geworfen. Die Boje für den Nordpol mit der schwedischen Flagge, die man zum
schönen Schein mitgenommen hatte, fiel ihnen nicht schwer zu opfern, doch man
begann ebenfalls eine ganze Menge an Proviant über Bord zu werfen. In der
Nacht blieb ein Schleppseil zwischen den Eisblöcken hängen, so dass man mehrere
Stunden auf der Stelle verhaarte. Als man es endlich wieder losbekam, war es
sonnig geworden, und die Wärme brachte den Ballon wieder zum Steigen. Man
versuchte weiter an Höhe zu gewinnen, um die Thermik in den oberen
Luftschichten ausnutzen und in nordöstlicher Richtung weiterfahren zu können.
Doch als man die Segel gehisst hatte, war jegliche Wärme verschwunden, und der
Ballon sank erneut. Von diesem Tag existieren keine Aufzeichnungen - Strindberg
schreibt ein Stück weiter hinten, dass er von dem ständigen Aufprall aufs Eis
seekrank geworden sei. Erst in den Morgenstunden des 14. Juli war das Glück
endlich auf ihrer Seite.«
    Eberlein
nahm eine weitere gläserne Fotoplatte vom Tisch hoch. Auf dem Negativ konnte
man erneut die Sphären erkennen, doch dieses Mal war etwas anders: Der
Bunsenbrenner sowie das Kreuz und der Stern waren von einem trüben Lichtkranz
umgeben.
    »Das ist
um zwei Uhr nachts aufgenommen worden«, sagte Eberlein und wies auf die
Ziffern am unteren Rand des Negativs. »Sie hatten an einer Eisscholle geankert,
um sich eine Weile auszuruhen, und die Mitternachtssonne war so schwach, dass
Strindberg seinen Magnesiumblitz anwenden musste, um überhaupt ein Bild machen
zu können. Der Brenner scheint sich ungefähr fünfzig Meter vom Ballon entfernt
zu befinden, denn wie Sie sehen, kann man die Konturen der Gondel durch die
Sphären erkennen.«
    Don hielt
das Negativ so, dass er es betrachten konnte, doch außer dem dünnen
Sternenstrahl, der auf eine untere Kuppel fiel, die sich oberhalb der
Silhouette des Kreuzes wölbte, sah er nichts.
    »Als Nils
Strindberg wieder zum Ballon zurückkehrte, hatte Andree ihre Position mit einem
Sextanten bestimmt und war kurz davor aufzugeben. Doch als Strindberg ihm
zeigte ...«
    Eberlein
blätterte ein paar Seiten im Tagebuch weiter, bis er innehielt, die Stirn
runzelte, wieder etwas zurückblätterte und schließlich die richtige Stelle
fand:
     
    14. Juli
1847 Dämmerung Greenw. Strahl ändert Position! zweimal. Messung m. zeitl.
Unterbrechung
    lat.
82°59'N-long. 31°5'0 neue ungef. Distanz: knappe 45 Kilometer!
     
    »Wie Sie
sehen«, sagte Eberlein, »hatte sich die Position des Strahls geändert.
Eigentlich war es nichts, was Strindberg hätte verwundern müssen. Er hatte ja
während seiner Berechnungen an der Hochschule von Stockholm selber
herausgefunden, dass der Wechsel ungefähr jeden dritten Tag stattfand. Der
Ballon war am 11. Juli von Danskön aus gestartet, jetzt schrieb man den 14.,
und die neue Position, die der Polarstern auswies, befand sich keine fünf
Meilen von ihnen entfernt. Man unternahm einen letzten Versuch, den Adler abheben zu
lassen, und warf alles aus der Gondel außer Trockenproviant, Gewehre,
Schneeschuhe und die Schlitten. Das verringerte Gewicht bewirkte, dass man mit
langsamer Geschwindigkeit weitere gut dreißig Kilometer in Richtung Norden
schweben konnte. Um neunzehn Minuten nach neunzehn Uhr entschied man, dass man
nahe genug herangekommen war. Nachdem

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