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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas von Steinaecker
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Disziplin und den starken Willen schließen können, von dem der Alltag meines Vaters bestimmt war. Rufe ich mir die Stunden mit meinem Vater in Erinnerung, der mich auch noch im Alter unermüdlich von Berlin aus in Salzburg besuchte, so gehören sie mit zu den glücklichsten meines Lebens. Und so wie mich die vielen Diskussionen mit ihm bis heute prägen, so hoffe ich, daß seine Musik wie seine Visionen für viele andere auch eine Quelle der Inspiration werden.
    ‚ Keep groovin‘ ! (Costin Wallner)“
    Wendy fügt unter dem letzten Satz ihre eingescannte eigene Unterschrift ein und speichert das Dokument unter Papa-Homepage-Beitrag-Entwurf .
    Wendy sind Zweifel gekommen, ob sie den richtigen Ton getroffen hat. Wenn sie sich in erster Linie an ein jüngeres Publikum wendet, sollte sie das Ganze dann nicht ein bißchen flotter schreiben?
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    „Das silberne Abendkleid, das meine Großmutter auf einem Foto trägt, muß eine besondere Bedeutung für meinen Vater besessen haben: Er hat es zusammen mit abgelegten eigenen Mänteln und Anzügen im Schrank im Kellerabteil aufbewahrt. Das Foto meiner Großmutter in diesem Kleid stellt unter den anderen Bildern eine Ausnahme dar: Auch wenn es sich um eine Pose handeln mag – so sieht meine Großmutter doch, anders als auf den meisten anderen Fotos, glücklich aus: Sie lächelt, ja strahlt. Auf die kulturellen Veranstaltungen einmal im Monat – Theater-, Konzert-, Opernbesuche in Regensburg, manchmal München – freut sie sich schon Wochen im voraus, ja, eigentlich immer schon unmittelbar nach dem jeweils letzten Schlußapplaus, spätestens auf der nächtlichen Heimfahrt, auf der immer sie fährt, während mein Großvater schläft – schließlich müsse er ja am nächsten Tag wieder ins Büro, während sie ‚nur‘ den Haushalt mache. Wenn keine Lichter von Häusern mehr auf den Seiten zu sehen sind, nur noch das Dunkel des Waldes und der Felder, wenn das Ausfahrtsschild kommt und sie den Wagen abbremst, der Gedanke: noch dreieinhalb Wochen!
    Immer trägt sie dasselbe Abendkleid, holt es, in eine durchsichtige Plastikfolie gehüllt, aus der Reinigung in Cham und hängt es am Abend vor der Veranstaltung im Schlafzimmer an den Schrank, sieht es an beim Einschlafen. Hat sie es dann einmal angezogen, möchte sie, daß man ein Foto von ihr macht, jedesmal, zur Erinnerung – es gibt viele solcher Fotos, innerhalb eines Zeitraums von vielleicht zehn Jahren aufgenommen und alle nahezu identisch. In der Oper sitzt sie dann die ganze Zeit über aufrecht – im Parkett: Den Gefallen tut mein Großvater ihr; immer gute Plätze‚ da, wo man gut sieht, was auf der Bühne passiert. Die Musik kennt sie auswendig, viele Gesamtaufnahmen hat sie, die sie zu Hause beim Kochen und Bügeln hört. Den Text der Liebesschmerz-, Racheschwur-, Verzweiflungsarien der Protagonisten, der Duette mit egoistischen Edelmännern und mittellosen Künstlern. Sie mag Tragödien: Madame Butterfly , La Bohème , auch Rigoletto und Don Giovanni . Jedesmal kauft sie sich ein Programmheft; unter den Sängerinnen hat sie ihre Lieblinge. Kommt zufällig ein Bericht über eine Premiere in ihrem kleinen Schwarzweißfernseher über der Mikrowelle, steht sie dann vor ihren Gesichtern, ganz nah, zu Hause in der Küche, die Arbeit, mit der sie gerade beschäftigt war, die Kartoffel in der linken, den Schäler in der rechten Hand, hat sie für Momente vergessen. Um den Film mit den Aufnahmen von sich im Abendkleid möglichst bald zum Entwickeln geben zu können, sieht sie zu, daß er voll wird – verschwenden möchte sie auch nichts. So macht sie Fotos vom Garten, von den Zimmern im Haus. Man solle später wissen, wie das ausgesehen hat, sagt sie als Rechtfertigung, als sie mein Großvater fragt, warum sie denn Bilder mache, wo nichts drauf sei. In der Woche nach der Veranstaltung hält sie beim Einkaufen am Vormittag am Marktplatz, bringt den Film ins Fotostudio, das zusammengelegte Abendkleid in die Reinigung.“
    „Und jetzt sagst du mir bitte, wie du das immer schaffst, von einem Satz zum anderen vom Imperfekt ins Präsens zu wechseln“, sagt Wendy laut, als sie sich an ihrem Schreibtisch zurücklehnt. Der Satz erscheint auf dem Bildschirm; Wendy hat vergessen, die Diktier-Funktion auszuschalten. Jetzt das Tempus der Passage wieder zu korrigieren, dazu hat sie wirklich keine Lust.
    Sie schüttelt den Kopf über sich selber, löscht den letzten Satz und sagt dann: „SPEICHERN“.
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    Sie träumt, daß sie die

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