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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas von Steinaecker
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Maschinen kaufen, der Kundenstamm würde sich maßgeblich erweitern. Wallner und Wiget könnten die Zahl ihrer Beschäftigten vergrößern, sie könnten Anteile an einer zweiten Firma erwerben, dann, wenn es wirklich gut läuft, an die Börse gehen, die Geschäftsleitung würde dann, wie schon mehrfach besprochen, in einen Rat umgewandelt werden, sie, das heißt momentan noch er und Wiget, wären dann zu viert, zu fünft, vielleicht.
    Wiget ist vorhin hereingekommen, hat gesehen, daß Wallner, der kurz den Kopf gehoben hat, die Unterlagen für das Projekt Brandenburg studiert, und hat sich hinter ihn gestellt, wahrscheinlich, um mitzulesen. Er legt die Hand auf Wallners Rücken, genau zwischen die Schulterblätter. Schon seit dem Beginn ihrer Freundschaft macht Wiget diese Geste. Die Geste bedeutet Zuspruch.
    Zum ersten Mal legte Wiget ihm damals, erinnert sich Wallner, im Wohnheim in Regensburg die Hand auf die Schulter, in der Stockwerkküche, nachts, als Wallner sich allein zugesoffen hatte und Wiget plötzlich auftauchte. Wallner hatte vor sich hin gelallt, er scheiße auf die ZVS, er scheiße auf Regensburg, er scheiße auf BWL, er scheiße auf seinen Alten – in diesem Moment hatte Wiget gefragt, wie lange er schon hier im Wohnheim sei, er habe ihn ja noch nie gesehen, er komme wohl nicht aus Regensburg, er, Wiget, sei ja auch nicht von hier, er komme ursprünglich aus Cham, ob er Cham kenne, in der Oberpfalz, ihm gehe es also genauso.
    Warum hatte Wiget ihm eigentlich die Hand auf die Schulter gelegt? Wallner glaubt jetzt, er, also Wallner, habe damals zu flennen angefangen. Vielleicht hatte ihre erste Annäherung auch erst später stattgefunden, beim Wohnheimfasching, als er, als Scheich oder Pirat verkleidet, an der Wand im von Stroboblitzen erhellten Atrium lehnte und er Wiget wegen der lauten Musik und dem Johlen der Gäste ins Ohr brüllte, die Neue im Wohnheim, die Rumänin, sei in diesem Moment in seinem Zimmer, in seinem Bett, wenn Wiget es genau wissen wolle, er, Wallner, hätte sie eben gefickt – gefickt, habe er verstanden?
    Wiget sagt, er werde noch eine halbe Stunde machen und dann gehen und sich die Akten heute abend zu Hause vornehmen. Er bleibt vor der Tür zum Sekretariat stehen. Er habe ein gutes Gefühl.
    Wallner sagt, sie sollten sich morgen noch einmal zusammensetzen, um genau zu besprechen, wer von ihnen was bei der Konferenz sagt.
    25
    Das Auto der Familie ist von hoch oben aufgenommen, von einem Hubschrauber aus. Das Auto fährt die Windungen einer Gebirgsstraße entlang. Die Hänge der Berge sind überwiegend unbewaldet und von hellgrünem Gras bewachsen. Eine Synthesizer-Melodie setzt ein, die das Dies-Irae -Motiv variiert.
    26
    Er schließt die Haustür hinter sich. Man müßte noch einmal überlegen, ob man nicht doch einen zusätzlichen Vertreter für Tschechien braucht. Wallner ist durch den Flur gegangen und hat plötzlich bemerkt, daß er seine Straßenschuhe angelassen hat. Ana hat ihn gebeten, immer die Straßenschuhe auszuziehen, wenn es geregnet hat. Der Boden wird sonst so dreckig, und sie ist dann jeden Tag am Putzen.
    Die Eßzimmertür ist angelehnt. Dahinter hat Ana etwas auf rumänisch, dann auf deutsch gesagt. Wallner hat „Verkauf der Firma“ und „Entmündigungsverfahren“ herausgehört.
    Costin lacht laut und erwidert: „Ja, aber das spannt der Tata ja nie.“
    Auch Ana lacht, als Wallner ins Eßzimmer tritt. Sie blickt ihn überrascht an.
    Costin sagt: „Servus, Tata. Wir haben gerade darüber geredet, wie du und Mama euch kennengelernt habt.“
    Wallner sagt: „Ihr habt nicht gerade darüber geredet, wie Mama und ich uns kennengelernt haben.“
    Costin sagt: „Doch. Wir haben gerade darüber geredet, wie ihr euch kennengelernt habt.“
    Wallner sagt lauter, als er eigentlich wollte, er schreit ja fast, denkt er, als er die ersten Wörter spricht: „Ihr habt nicht gerade darüber geredet, wie Mama und ich uns kennengelernt haben.“
    Er schaut in die erschreckten Gesichter Costins und Anas.
    27
    Da steht Witte im Blaumann vor seinem roten Golf.
    Wallner ruft: „Einen schönen Abend noch“ und winkt.
    Als Wallner und Wiget die insolvente Firma von Karl Lindinger kauften, übernahmen sie die meisten der damaligen Beschäftigten, zu denen auch Witte gehörte. Wallner und Wiget haben durch diesen Kauf die Jobs von 83 Beschäftigten gerettet. Seit Wallner Witte zum Chefmonteur befördert hat, ist Witte seine Kontaktperson zu den anderen Monteuren. Witte

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