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Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Wallner beginnt zu fliegen (German Edition)

Titel: Wallner beginnt zu fliegen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas von Steinaecker
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und dessen Anweisungen Wendy den ganzen Nachmittag über, unten, in der Gemeinschaftsküche, peinlich genau befolgt hat, führt auch zu eben jenen Salzburger Nockerln, die Wendy seit ihrer Kindheit gewohnt ist und die sich im Geschmack von den Salzburger Nockerln, die man im Restaurant serviert bekommt, deutlich unterscheiden, ohne daß Wendy genau sagen könnte, wie.
    Wendy balanciert mit Messer und Gabel ein Stück Salzburger Nockerln auf den Teller von Klaus und sagt: „Salzburg.“ Dieser Wortwechsel ist codiert.
    Klaus von der FU Berlin schreibt seine Thesis über den Einfluß der österreichischen auf die britische Gegenwartsliteratur. Auf der Party am Samstag, auf der Jeremias, einer ihrer Kommilitonen, Wendy Klaus vorgestellt hatte, hatte Klaus nach einer Weile begonnen, von den Vorzügen Österreichs zu labern, die Seen, oh, die Süßspeisen, ah. Wendy hatte mit eingestimmt, weil sie plötzlich Heimweh bekommen hatte.
    Als Klaus dann aber damit anfing, wie sehr Deutschland doch eigentlich Österreich bewundere – Deutschland fühle sich minderwertig, deshalb Ösi-Witze, schon seit Jahrzehnten, es gebe da sogar eine Magisterarbeit, Der Ösi-Witz , von einem Typen in Heidelberg, in Deutschland werde damit die Trennung von Österreich verarbeitet, so Klaus’ Theorie, die Trennung von der kleinen Schwester sozusagen – Freud, genau –, mit der es sich vereinigen wolle, Deutschland mit Österreich, Wendy verstehe (Klaus: Blick in Wendys Augen) –, da hatte Wendy Klaus dummerweise schon zu einer kleinen Runde bei sich zu Hause eingeladen, obwohl inzwischen, trotz zweier Pints britischen Bieres, Wendys in vier Jahren Studium angeeignete und wahrscheinlich auch noch im Schlaf abrufbare Textanalysefähigkeiten sie zu dem Schluß haben kommen lassen, daß Deutschland für Klaus, Österreich für sie, Wendy, die Seen für ihre körperlichen Reize und die Süßspeisen für den Sex mit ihr standen, Klaus würde sie gern „vernaschen“.
    Mit „Salzburg“ widerspricht Wendy Klaus, ohne unhöflich zu sein, und gibt ihm zu verstehen, daß er die anzüglichen Anspielungen seinlassen soll.
    Dieter aus Freiburg, der im Schneidersitz neben Klaus auf Wendys Bett sitzt, schaltet sich ein. Er fragt, ob er noch ein Stück haben könne, und lächelt dabei, zum ersten Mal an diesem Abend. Dieter steht auf Wendy. Genau so hat er ihr das mal nach dem Seminar gesagt.
    „Wendy?“
    „Ja?“
    „Ich steh auf dich.“
    Rote Birne. Bodenblick. Und weg war er.
    Wendy war geschockt gewesen. Weil Dieter sonst im Seminar immer einen ganz normalen Eindruck gemacht hatte, nie um einen klugen Beitrag verlegen, auch sonst durchaus charmant und witzig. Alles Staffage also. Wenn es ans richtige Leben kam, dann wußten solche Typen halt nicht Bescheid.
    Wendy denkt jetzt, während sie ein weiteres Stück aus den Salzburger Nockerln schneidet, Klaus ist ein Süßer. Wendy hätte gerne nach dem Seminar mit ihm Kaffee getrunken oder so, er hätte sie ruhig noch mal was fragen können, „Wollen wir mal ins Kino gehen“, oder „Wendy, was machen eigentlich deine Eltern?“ Aber seit seiner Aktion war er ihr aus dem Weg gegangen und hatte auch keinen besonders erfreuten Eindruck gemacht, als Wendy ihn zu sich einlud. Insofern deutet Wendy jetzt seine Nachfrage und sein Lächeln dahingehend, daß es ihm hier gefällt und er doch weiterhin an ihr interessiert ist.
    Dieter hat ein Loch in seinem rechten Strumpf. Die Tür ist aufgerissen worden. Caesar hat gerufen: „Guys, you gotta watch the game.“
    Klaus schaut Wendy und Dieter an, er fragt: „Are we going?“ Wendy sagt: „We could.“
    Allgemeiner Aufbruch mit dem Teller in der Hand Richtung Aufenthaltsraum im Erdgeschoß des Graduate Wohnheims. Dieter geht mit Caesar voraus. Wendy scannt.
    Weil in zwei Wochen Abgabe der Thesis ist, kann sie zur Zeit nur schwer abschalten, arbeitet innerlich auch in ihrer Freizeit an ihrem Thema. Seit einem halben Jahr sitzt sie jetzt schon an der Entwicklung einer weiblichen Software, das heißt einer Software zur Beantwortung der Frage: Wann ist ein Text weiblich? Die Software hat Wendy Gertrude nach Gertrude Stein genannt, kurz Gerti . Den ganzen Tag sitzt Wendy vor ihrem grünen Retro-Apple-Laptop und spricht Signalwörter ein, Symbole, die Hinweise auf eine geschlechtliche, in diesem Fall: weibliche Konnotation eines Textes geben könnten. Da wären Tiere: Katzen, Kitze, Stuten; Früchte: Birnen, Melonen, Feigen; da wären Farben: rot, rosa, gelb und

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