Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
ihn diese Menschen in ihre Gewalt bekamen, keine Rettung mehr für ihn möglich war. Sie zerrissen ihn mit Worten, ihm war zumut, als sei eine Herde hungriger Schakale über seinen Leichnam hergefallen, als er diese gräßlichen Verwünschungen gegen sich ausstoßen hörte.
»Der König wäre längst in seinem Grabmal zur Mumie vertrocknet,« rief Psenophis alle übertönend, »wenn diesem wortkarge Schwärmer nicht stets unsere Pläne durchkreuzte. Der Prinz hat recht: Vor allem müssen wir uns seiner entledigen.«
»Morgen,« sagte Urmaa bestimmt, »dringe ich mit drei Sklaven in sein Gemach, lasse ihm einen Sack überwerfen, fessele ihn und –«
»Nein, liebe Mutter,« widersprach ihr der Sohn, »ich habe ein besseres, schlaueres Mittel ausgesonnen, das weniger Aufsehen erregt und meine Rache glühender befriedigt.«
»Ich lade ihn freundlichst ein, meinen Palast zu besuchen, denjenigen, der südlich eine halbe Stunde von Theben entfernt liegt. Dort zeige ich ihm einen Käfig, den ich angeblich für Nilpferde erbauen ließ. Ich öffne die Eisentüre, lasse ihn hineinblicken und in diesem Augenblicke müssen ihn zwei vorher instruierte Sklaven in das Innere stoßen, woselbst er verhungern mag. Kein Sterblicher wird ahnen, wohin er gekommen, denn dieser Käfig hängt da, wo mein Palast an das Gebirge stößt, über einem Abgrund, in welchen er später versinkt. Diese Strafe mag grausam sein, aber sie ist gerecht.«
Man stimmte ihm freudig bei. In Menes' Busen stieg, als er die Worte des Entsetzlichen vernommen, nebst einem kalten Schauer, der ihn überlief, ein Trotzgefühl auf.
»Du sollst mir büßen,« knirschte er, »du sollst sehen, wie sich der Träumer rächt. Gib acht! Du hast deinen Käfig für dich erbaut, Unmensch! Über euern Häuptern schwebt bereits unsichtbar das Schwert der richtenden Göttin, das schwarze Verhängnis.«
Er vergaß seine gefährliche Lage über diesen Betrachtungen vollständig, bis ihn ein unerwarteter Zwischenfall wieder unangenehm an dieselbe erinnerte. Der Oberpriester stand nämlich plötzlich mit allen Anzeichen des Schreckens auf.
»Was ist das?« unterbrach er die eifrig Redenden, »einen Augenblick stille!«
Man schwieg.
Menes war, als müßten ihm die Sinne vergehen. Sein Fuß, mit dem er zornig aufgestampft, hatte auf den Steinfliesen die Statue zu heftig berührt.
»Was? Warum? Wo?« wurde gefragt.
»Mir war, als hörte ich ein Schlürfen,« entgegnete der Oberpriester, sich umblickend.
»Es wird die Lampe oder der Wind gewesen sein,« meinte einer.
»Du hast dich getäuscht,« sagte ein anderer.
Psenophis leuchtete einmal flüchtig mit der Lampe durch die Zelle, setzte sie dann wieder hin und gab zu, daß er sich geirrt habe. Menes atmete auf, er richtete sich empor und schickte ein stilles Dankgebet zu den Göttern, die den Schein der Lampe an ihm vorübergleiten ließen. Nun beratschlagte die Versammlung, auf welche Art am leichtesten der König beiseite zu schaffen sei, ob durch einen offenen Angriff auf sein Leben oder einen heimlichen Überfall. Der äthiopische Prinz versprach seinen kriegerischen Beistand, der Statthalter Ani sei bereits in Meroë, um Truppen zu werben. Die Königin riet Vergiftung, Cha-em-dyam wollte Schwert und Dolch gebraucht wissen. Es ward lange hin und her gestritten, die Parteien ereiferten sich, immer lebhafter wurde das Wortgefecht, das Menes mit dem Gefühl des tiefsten Abscheus, des bittersten Unwillens belauschte. Manchmal vergaß er sich in seiner edlen Entrüstung so weit, daß er leise Worte vor sich hin flüsterte, die glücklicherweise vom wilden Stimmengewirr ungehört verschlungen wurden, manchmal war er nahe daran, unbesonnen vorzutreten, ein vernichtendes Machtgebot dazwischen zu schleudern. Endlich, nachdem die Gesichter sich kampflustig erhitzt, die Augen der Verräter wild funkelten, erhob sich Psenophis kühl lächelnd von seinem Sitz.
»Toren seid ihr,« rief er mit so dröhnender Stimme, daß die Streitenden verstummten.
»Toren, daß ihr euch in einer Sache bekämpft, bei der nur die tiefste Eintracht zum Ziele führen kann. Doch hört mich an. Ich habe einen Plan ersonnen, den ihr alle als einen außergewöhnlich schlauen anstaunen werdet und vor dessen tiefsinniger Verruchtheit die Bosheit selbst beschämt schweigen müßte. Eure Anschläge, die ich bis jetzt vernommen, dienen nur dazu, die Wut des Volkes gegen uns, als die Täter, die Anstifter zu erregen, mein Anschlag hingegen lenkt den Verdacht
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