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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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nicht nur von uns ab, er vernichtet ihn überhaupt, weil – weil der Nil der Täter sein wird!«
    »Der Nil?« hallte es fragend in der Runde wider.
    »Ja, der Nil,« lächelte Psenophis, »der heilige Strom wird unser Bundesgenosse sein, den verdammungswürdigen König zu töten, der die verworfene Brut der Ebräer beschützt, der die Macht der Priester eindämmt, der sein Weib betrügt und Fremden sein Vertrauen schenkt. Hört mich an, wie ich es zu machen gedenke: Ich habe am großen Nilkanal nördlich der Stadt ein unterirdisches Gemach erbauen lassen, um der Sonnenhitze entgehen zu können, wenn Festlichkeiten abgehalten werden sollen; solche unterweltliche Prachtsäle sind nichts Seltenes, ihr wißt, daß viele Reiche dergleichen besitzen, oft ganze Monate dort unten zubringen, wenn sie die Sonnenhitze schlecht vertragen oder der Schlaf ihr heißes Lager flieht. In einen solchen Saal werde ich den König zum nächtlichen Gastmahl laden. Nun aber habe ich zuvor – das Werk geht in diesen Tagen bereits seiner Vollendung entgegen – den Nilkanal so dicht an der rechten Wand des unterirdischen Gemaches vorbeiführen lassen, daß das Öffnen mehrerer Riegel, einiger Zapfen genügt, die Wassermasse in das Innere des Zimmers hereinbrausen zu machen, und zwar stürzt sie aus solcher Höhe herab, daß, wie der Baumeister sagt, bis ihr drei zählt, der ganze Raum bis zur Decke mit dem wogenden Naß erfüllt ist. Die Geladenen, beim Weine Sitzenden werden also, kaum zur Besinnung gekommen, schon als Leichen in dem zum Meer gewordenen Gemache umherschwimmen. Auf diese Weise läßt sich der Tod des Königs einfach auf Rechnung des Zufalls schieben – die Wand des Saales konnte nun einmal den Druck des Kanalwassers nicht aushalten. Kein Mensch ist schuld an dem Unfall – der Nil hat es getan.«
    Als er geendigt und mit triumphierender Miene, wie ein siegreicher Feldherr um sich geblickt, schwieg die Versammlung noch einige Augenblicke. Ein unbehagliches Gefühl, ein demütigendes Grauen überschlich die Hörer, sie ernannten in dem kahlen Priester ihren Meister. Einige warfen Blicke des Neides, des geheimen Ärgers auf seinen glatten Schädel, der sich so stolz erhob, als gebühre ihm die Königskrone. Dann gaben alle kleinlaut ihre Zustimmung. Der Plan sollte in sechs Tagen, wie Psenophis angegeben, zur Ausführung gelangen, bis dahin werde das unterweltliche Werk, das Graben des Seitenkanals beendet sein. Nachdem man noch einige Bestimmungen festgesetzt und sich gegenseitig Treue gelabt, erhob sich die Versammlung. Psenophis nahm eine solche herablassende Herrschermiene an, als man sich trennte, daß Cha-em-dyam ihn mit mißtrauischen Blicken beobachtete, doch als der Oberpriester ihm ins Ohr flüsterte: »Wann dürfen wir dich den Sohn der Sonne nennen?« verklärten sich die düsteren Züge des Prinzen zu einem unheimlichen Grinsen.
    »In sechs Tagen, hoffe ich,« flüsterte er.
    »So hoffe auch ich,« erwiderte Psenophis, »und deiner Huld werde ich gewiß sein?«
    Statt aller Antwort drückte ihm der Prinz gnädigst die Hand. – Indessen hatten alle das Gemach verlassen; Menes war allein, befreit von dieser Meute; er atmete auf. Er trat aus seinem Versteck. Das also war das finstere Werk, das dem König drohte? Auf diese hinterlistige Weise wollte man ihn vernichten? Er ballte die Fäuste gegen die Türe und schwur ihnen alle die grimmigste Rache.
    »Sogleich zum König,« sagte er sich, »jeden einzelnen genannt. Eine Abteilung Krieger in das Haus eines jeden von ihnen abgeschickt und sie dann öffentlich vor den Augen des Volkes hingerichtet, ohne Verzug, ohne Gericht, ohne Verhör!« Er glühte innerlich, er mußte sich den Kopf mit beiden Händen halten, so schlug ihm das entrüstete Herz bis ins Gehirn hinauf, so wälzten sich ihm die Gedanken wild unter der brennenden Schädeldecke. Doch jetzt galt es handeln. Rasch weg von diesem Ort des Verbrechens, rasch zum König, er mußte aus dem Schlummer der Nacht geweckt werden. Keine Minute durfte verloren gehen, dies Bubenstück vor ihm zu entlarven. Der Jüngling kämpfte seine Erregung nieder, schwang sich auf den Sockel des Steinbildes und hatte eben das vom Dach herabhängende Seil mit der Hand erreicht, als er näherkommende Schritte auf dem Gange vernahm. Was tun? Herabspringen? Sich wieder verbergen? Er lauschte. Vielleicht gingen die Schritte vorüber. Nein! sie hielten vor der Türe. Das Schloß ertönte dumpf. O ihr Götter! Sie haben vergessen, die

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