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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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bedächtigem Tone, während er die Runzeln seiner Stirn von Zeit zu Zeit bewegte oder seiner Rede mit einer ernsten Gebärde Nachdruck verlieh. Als er sich verabschiedet hatte, schritt Ramses gedankenvoll seinen Gemächern zu. Ehe er das Portal erreicht, ward er Menes ansichtig, stand still, bis dieser nahe herangekommen und schüttelte dann schmerzhaft sein ehrwürdiges Haupt.
    »Mein Freund, mein Retter,« sprach er, tief bewegt, »mein Leben hast du mir gerettet – oh! könntest du mir auch dieses Leben retten.«
    »Welches, mein hoher Gebieter?« frug Menes beklommen, ob er gleich wußte, wessen Leben gemeint sei.
    »Menes! ich fürchte – o, ihr Götter! wie werde ich's ertragen,« zitterte es von des Königs Lippen, »ich fürchte, die Götter wollen sie mir rauben –«
    »Mein hoher Herr! – faßt Euch –« wagte Menes abgewendet hervorzustammeln.
    »Der Arzt – sagt mir – o, meine Tochter! – sie stirbt.«
    Mit diesen Worten sank das Haupt des Herrschers auf die Schultern des jungen Mannes; eine Träne sah Menes über seinem Arm am Boden blitzend zerschellen. Doch nur einen Augenblick gab der Gewaltige seiner Schwäche nach, er raffte sich auf und schnitt langsam seinen Gemächern zu, Menes in der peinlichsten Mißstimmung zurücklassend. Zum Glück hatte der Jüngling nicht lange Zeit, über das Unheil, das er ohne seine Absicht heraufbeschworen, nachzugrübeln; der Abend sank auf die Gefilde nieder, das gefahrvolle Werk harrte des Vollführers. Nachdem er sich ein wenig ausgeruht, steckte er, um für alle Fälle vorbereitet zu sein, einen Dolch nebst einem aus starken Fäden gedrehten Seile zu sich und begab sich sodann klopfenden Herzens auf den Weg nach dem Tempel. In der Stadt war es bereits stille geworden; die Gewerbe ruhten, nur noch zuweilen ertönte der Hammerschlag des Schreiners. Türen und Fenster wurden der Abendkühle erschlossen; die Fischer kehrten vom Nile, die Krieger eilten zum Wein. Auf den Dächern der Häuser, unter bauschenden Vorhängen saßen die Bürger, die Abendluft zu genießen oder ihre Milch mit Datteln zu verzehren. Junge Mädchen warfen den Ball vor den Treppen der Wohnungen, oder man sah hinter den Fenstern zwei alte Leute vor einem kleinen Tische knien, die Steine des Brettspiels schiebend. Hastig eilte unser Freund quer durch die Stadt, ihrem nordöstlichen Ende zu, ohne in seiner Aufregung das Treiben der Menschen (was er sonst so gerne tat) zu beobachten. Bald ragten die riesigen Pylonen des Amun-Tempels vor ihm auf und bald war sein banger Fuß eingetreten in den ersten Hof des gewaltigen Gotteshauses, das wie ein lebendig gewordenes Gebirge unter dem zitternden Sternhimmel ruhte. Er schritt von Hof zu Hof, die letzte Zelle zu suchen, wo die nächtlichen Zusammenkünfte der Verschwörer statthaben sollten. Die Gegenstände waren kaum mehr zu unterscheiden, die weiten Höfe lagen weiß im Glanz des Mondes, wie ausgebreitetes Linnen, rings von finsteren Mauern umrahmt, die ihre schwarzen Schatten auf den schimmernden Sand gossen. Unser Wanderer störte durch seine Schritte zwei Geier von ihrem blutigen Mahl auf; in seinem hoch erregten Gemütszustande wollte ihm das häßliche Gekreisch der beiden wie eine Abmahnung erscheinen; er blieb einige Augenblicke stehen, bis zwei dienende Priester, die an ihm vorübergingen, nach seinem Begehren frugen. Hastig gab er zur Antwort, er habe noch ein Gebet zu verrichten, und eilte weiter. Heute imponierte ihm der mächtige Säulenwald, durch den er wandeln mußte, wenig, auch die Sphinxe ließen ihn gleichgültig, er hatte nur sein Ziel vor Augen, das ihn für alles übrige blind und taub machte. Bald war die letzte Zelle gefunden, deren Türe jedoch verschlossen war, ein sicheres Zeichen, daß die Stunde der Versammlung noch nicht gekommen; auch im Inneren ließ sich keine Stimme hören. Wie aber hineingelangen? Es war wichtig, vor allen übrigen in den Raum zu schleichen, da im anderen Falle die Entdeckung hätte unausbleiblich sein müssen; auch war das Tor zu massiv, um den Schall der Sprechenden deutlich nach außen dringen zu lassen. Was tun? Eile war nötig, jeden Augenblick konnten die ersten erscheinen. Halt! vielleicht hatte diese Zelle, wie viele des Tempels, keine Decke. Vielleicht war von oben in sie einzudringen. Der Jüngling stahl sich klopfenden Herzens eine Stiege hinauf. Richtig, die Decke der Zelle beschränkte sich auf ein von Säulen getragenes, sechs Fuß breites Steingesimse; durch den offenen

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