Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Türe schließend.
»Aber du liebst mich, Hadsa, ich weiß es,« sagte die Gefangene, »du hast mich während dieser schmählichen Gefangenschaft oft getröstet, mir manche Stunde durch dein Geplauder erleichtert – nicht wahr, du sagst deiner Herrin, was ihr droht? Hat Isaak beschlossen – oh! sprich! mich mit Gewalt – du errätst –«
Hadsa, deren Anhänglichkeit an Myrrah während der Zeit ihrer schlimmen Behandlung eine große geworden war und die der Hilflosen manchen Dienst geleistet, sank in die Knie und umarmte weinend ihre Gebieterin.
»Rede, gutes Mädchen, hat er beschlossen, mich zu töten?« frug Myrrah gefaßt, das Furchtbarste zu hören.
Hadsa schüttelte traurig ihr schwarzes Haupt und drückte der Jüdin weiße Hände auf ihre braune Brust.
»Foltere mich nicht, Hadsa,« flüsterte die Jüdin, »rede! was hat man beschlossen?«
Die Schwarze wendete ihr Haupt ab.
»Man will,« kam es nun zögernd über ihre Lippen, »man will Euch – betäuben.«
»Wie? Was will man?«
»Euch betäuben – einschläfern –«
»Du träumst – ich verstehe dich nicht – oder du wählst nicht die rechten Worte.«
»Ich träume nicht! Ich belauschte sie! O Herrin, meine arme Gebieterin, Menes wird schändlich betrogen. Ihr habt mir ja oft erzählt, wie sehr Ihr ihn liebt, wie nur er Euch noch an dieses elende Leben fesselt, und nun will man das, was Ihr ihm mit soviel Mut bewahrt, will man Eure Treue ihm listig stehlen. Oh! auch ich kenne die Liebe, und ich würde mich lieber töten, als meinem Geliebten, wenn er auch nur ein armer Sklave ist, die Treue zu brechen.«
»Aber ich begreife deine Worte noch nicht, Hadsa,« rief die zitternde Myrrah ahnungslos. »Was will Isaak tun? Erkläre mir seine Absicht deutlich.«
Nun erzählte Hadsa mit keuchender Hast, wie sie Isaak belauscht, als er mit einem alten Weibe verhandelte, die ihm einen Schlaftrunk gebraut. Diesen gliederlähmenden Trunk solle er, habe die Alte gesagt, dem Mädchen in den Wein mischen, sie werde alsdann seinem heißen Verlangen nicht mehr widerstehen können, worauf Isaak die Alte reichlich bezahlt. Myrrah begriff nun endlich die ganze Verruchtheit des Planes. Aber war es denn möglich, konnte ein menschlicher Geist sich so tief erniedrigen? War, mit einer solchen Handlung verglichen, der Mord nicht eine ehrliche, achtbare Tat? Welch ein Abgrund von Scheußlichkeit gähnte sie an! Sie betrachtete ihren Leib und schauderte; Ekel, Entrüstung, unsäglicher Jammer durchwühlte sie; blutige Rachegedanken stiegen wie die Träume einer Wahnsinnigen vor ihrer inneren Seele auf. Stumm und starr saß sie auf ihrem Lager, keinen anderen Freund und Helfer, als ihren Dolch in der Nähe. An ihm hing ihr gebrochener Blick, an ihn klammerte sich der letzte Trost der Verzweifelten.
»Oh! er soll mich schlafend finden, der Schändliche, tief schlafend und soll mich sehr still, geduldig und schön finden,« flüsterte sie mit irrem Lächeln, ein übers andere Mal, als die Äthiopierin gegangen war, da ein nahes Geräusch ihr Furcht vor Entdeckung eingeflößt. So saß Myrrah im Leben schon tot auf ihrem Lager. Zuweilen hob sie mechanisch die Spitze des Dolches und ließ sie dann wieder schwer, als wäre sie von Blei, herabfallen. Ein Sklave trat ein, das Abendmahl auf den Tisch stellend; sie regte sich nicht. Dort stand der tückische Becher, der das betäubende Mittel enthielt. Sie sah starr auf denselben; er dehnte sich vor ihren Blicken aus, er nahm die Züge Isaaks an. In einem Anfall von Wut ergriff sie ihn und schleuderte ihn auf den Fußboden. Dann warf sie sich ermattet, an Körper und Geist zerrüttet auf das Lager, geduldig den schrecklichen Augenblick erwartend, wo der Entmenschte zu ihr eintreten würde, im Wahn, sie liege, jedem seiner Wünsche ein willenloses Opfer, in tiefem Schlaf. Nur der eine Gedanke lachte sie mit gräßlichen, verzerrten Zügen an: Stelle dich schlafend und, wenn er dich in entwürdigender Umarmung an sich preßt, stoße ihm den Dolch ins Herz. Sie umklammerte das Eisen so fest, daß sie nicht bemerkte, wie es ihr in die Finger drang. Ein Tropfen nach dem anderen ihres jungfräulichen Blutes fiel zur Erde; dies Sickern des Blutes war der einzige Laut, welcher in dem Gemach zu vernehmen war. Draußen war es dunkel geworden. Der Vollmond quoll hinter den Sykomoren des Gartens empor; manchmal schwirrte mit schwermütigem Summen ein smaragdener Käfer in das Gemach, um das Haupt der Daliegenden; manchmal streifte ein
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