Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
über sich und erklärte, nachdem sie eine Weile gelegen, nur die Vorstellung davon sei so gräßlich. Dann stand sie wieder auf, der in Tränen ausbrechenden Myrrah Mut zusprechend.
»Ich will es tun, um seinetwillen,« sagte diese endlich sich fassend, »was täte ich nicht, um mit Menes vereint zu werden und ihm diesen Leib unbefleckt entgegenbringen zu können. Ja, du hast recht, gute Hadsa. Es bleibt mir nichts anderes übrig, ich muß meinen Ekel, meinen Abscheu überwinden. Und was ist schließlich diese grauenvolle Lage, verglichen mit der anderen, die mir gedroht.«
Kaum hatte sie geendet, als sich Schritte dem Stalle näherten. Sie hatte also keine Zeit, sich zu besinnen, einen Seufzer ausstoßend, warf sie sich auf die Bahre; die Schwarze zog sodann rasch das Segeltuch über ihren Körper.
»Nun, wer da?« ließ sich an der Türe eine rauhe Stimme vernehmen. Mehrere Männer, von denen einige Fackeln trugen, traten ein.
»Was suchst du hier bei der Toten, schwarze Ziege?« rief einer der Sklaven.
»Ich –« entschuldigte sich die erschrockene Hadsa, »ich wollte die Arme noch einmal sehen. Ihr wißt, wir waren Freundinnen.«
»So, so,« sagte der andere.
»Aber beeilt euch,« entgegnete die schlaue Äthiopierin, indem sie aus dem Raum trat. »Die Tote riecht bereits. Ihr tut gut, sie ohne Zögern zu Hotep, dem Mumienverfertiger, zu bringen.«
»Soll besorgt werden,« hörte Myrrah einen der Männer sagen, während sie zugleich fühlte, wie man sie in die Höhe hob. Bald darauf merkte sie am taktmäßigen Schwanken ihrer Unterlage, daß sich der Zug in Bewegung gesetzt. Ihre einzige Befürchtung war die, es könnte einem der Träger einfallen, das Tuch zu heben, sie wagte es nicht auszudenken, was ihr alsdann drohte; krampfhaft hielt sie sich an den Sprossen der Bahre, fest die Augen zudrückend, den Atem anhaltend und sich selbst Mut zu sprechend. Die Tropfen des nassen Tuches liefen ihr kalt den Nacken hinab; die Bewegungen der Träger wurden manchmal so ungleichmäßig, daß sie fürchtete, abgeworfen zu werden, doch als sie nun hörte, wie der Zug durch das Tor ins Freie schritt, wurde es ihr etwas leichter ums Herz. Wenn sie die Augen öffnete, sah sie vor sich das graue Tuch; doch gelang es ihr, unbemerkt den Kopf nach der rechten Spalte zu wenden, die ihr den Blick auf die nächtliche Mondlandschaft gewährte. Auf diese Art ließ sich auch besser Atem holen. Nach kurzem Marsch stellten die Träger die Bahre nieder und einer der Leute setzte sich ermüdet neben das Mädchen auf den schmalen Teil des Gerüstes, welchen ihr Körper freigelassen. Jeden Augenblick glaubte sie, dieser Mensch müsse ihre Atemzüge hören. Sie litt unbeschreiblich. Ihre Qual erreichte aber den höchsten Gipfel, als sie folgendes Gespräch mit anhören mußte.
»Warum hat sie sich ertränkt?« hörte sie neben sich fragen.
»Aus Liebe, sagt man,« versetzte ein anderer.
»War sie hübsch?« frug der vierte Träger.
»Kann's nicht sagen.«
»Wartet, ich sehe sie hier durch die Öffnung des Tuches – nein, es sind ihre Haare.«
Myrrah glaubte, der Zeitpunkt ihrer Entdeckung sei gekommen; das Bewußtsein begann ihr langsam zu schwinden.
»Laßt die Decke liegen,« vernahm sie jetzt, »ich sehe nicht gern einem Toten ins Angesicht; die Kerls haben Augen, die einem noch tagelang anstarren und reißen den Mund auf, als wollten sie einen verschlingen.«
Myrrah fühlte, wie das Tuch ein wenig hinweggerückt wurde. Der Zustand der Armen ward immer bedrohlicher, sie hatte mit übermenschlicher Anstrengung gegen ein aufsteigendes Krampfgefühl zu kämpfen, dessen Zuckungen ohne Zweifel zu Verrätern geworden wären; sie vermochte sich nicht mehr in dieser regungslosen Lage zu erhalten.
»Bei allen Löwen Lybiens, sie war schön,« hörte sie dicht neben sich ausrufen, »sie hat eine prächtige Schulter, weiß, wie die Wüste im Mondschein.«
»Du verliebst dich wohl gar in tote Reize, du Unmensch, und verlangst Süßes vom Tod. Pfui! halte dir die Nase zu,« entgegnete ein anderer.
Alle lachten und der neben ihr Sitzende schlug mit der flachen Hand auf ihre Schulter, daß es klatschte. Ein Glück, daß die Verzweiflung all ihr Blut nach dem Herzen getrieben, wodurch sich ihr Körper leichenhaft kalt anfühlte, daß der Schrecken ihre Glieder lähmte und sie in einen Zustand von todähnlicher Bewußtlosigkeit versenkte, aus dem sie erst wieder erwachte, als die Gefahr vorüber war. Endlich, endlich, nachdem ihr Ohr
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