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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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noch durch viele unlautere Witzworte beleidigt worden, nachdem sie fast glaubte, sie könne es nicht länger ertragen, sie müsse aufschreien oder die gewaltsame Anstrengung, ihre Erregung zu verbergen, koste ihr das Leben, endlich hoben die Träger die Bahre und gingen weiter. Bald vernahm sie, daß die Sandalen der Männer Pflaster traten; sie waren in Memphis angelangt. Nach einem kurzen Weg hielten sie vor einem Hause, verhandelten mit einem aus demselben tretenden Manne und trugen, wie das Mädchen deutlich merkte, die Bahre in ein großes Mumienmagazin.
    Noch hörte sie, wie die Gehenden dem Mumienverfertiger sagten, die Leiche solle die einfachste, billigste Art der Einbalsamierung empfangen, wie der Mumienverfertiger mit dem Preis einverstanden war, und wie sich die Schritte der Träger verloren; dann verfiel sie in ein krampfhaftes Weinen, das ihr erst nach längeren, vergeblichen Bemühungen zu unterdrücken gelang. Als sie die Decke hinweghob, fühlte sie sich so matt, daß sie kaum aufrecht zu stehen vermochte, und dennoch galt es fliehen, fliehen, so rasch wie möglich, da die Arbeiter und Ausbalsamierer früh mit ihrem unsauberen Werke anfingen. Sie schluckte ihre Tränen hinab, beherrschte ihr Schluchzen und eilte auf die Türe der dunklen Werkstätte zu, durch deren Glasfenster ein müdes Mondlicht in die Halle drang. Im Weitergehen den Weg suchend, tastete sie auf einem naßkalten, glatten Gegenstande herum – – Was war das? Entsetzt fuhr ihre Hand zurück; im fahlen Trauerglanz des Mondes sah sie, daß sie zufällig einer Leiche in den Mund gekommen war. Nun erst bemerkte sie, daß sie unter sechs einzubalsamierenden Toten die einzige Lebende war; ringsum lagen die stummen Schläfer, dort ein reich Gekleideter in einem halbfertigen kostbaren Sarg, duftend von Wein und arabischem Balsam, hier eine arme Frau, deren Körper bereits zur Hälfte mit Myrrhen ausgefüllt war, während man ihre Arme mit Binden umwickelt hatte. Ringsum standen Geschirre, gefüllt mit Salpetersäure oder Kolophonium, lagen Masken, hingen Bissusbinden, hingen die Messer und Gerätschaften, deren man bei dieser traurigen Arbeit bedurfte. Ein Schauer überlief die von Gott und Menschen Verlassene, als ihr Auge diese schweigsame Gesellschaft überflog; es war ihr, als müsse die braune Mumie, die sie eben berührt, aufstehen, um Rechenschaft von ihr zu verlangen. Sie floh wie eine verfolgte Gazelle aus der Werkstatt auf die Straße nach dem Nil zu, um sich dort so lange im Schilfe zu verbergen, bis sich ein Schiff fände, das sie mit nach Theben nähme. Als sie so eilend dahinschritt, war es ihr mehreremals, als vernähme sie in der Ferne hinter sich das Rufen und Antreiben einer sie verfolgenden Meute.

    Fünftes Kapitel
    Wir verließen Menes unter den Händen seiner Entdecker. Als er wieder aus seiner tiefen Bewußtlosigkeit erwachte, fand er sich in einem Gemach oder besser einem Käfig eingeschlossen, in dem er kaum aufrecht zustehen vermochte und dessen Wände er mit den ausgestreckten Armen erreichte. Wo war er? Die schreckliche Gewißheit, daß der schändliche Prinz seine Drohung wahr gemacht, seinen Rachedurst dadurch befriedigt hatte, ihn in dies elende Gefängnis werfen zu lassen, überdrang ihn kalt. Und hatte er nicht trotz seiner Betäubung gefühlt, wie man ihn in diesen Kasten schob? Klangen ihm doch noch die höhnischen Worte des Tückischen im Ohre nach. Ja, diese Wände waren kein Phantasiegebilde, sie ließen sich betasten, sie hielten stand; er war das Opfer bübischer Rache geworden; das Gefühl innerer Beängstigung, welches uns erfaßt, wenn wir uns in einem bedrückend engen Raum befinden, der uns an der Bewegung hindert, überkam ihn mit solcher Macht, daß er in einem Anfall von Verzweiflung seine Fauste an Boden und Decke des Kastens wund schlug, aber die grausamen Wände gaben sein Gestampf, sein dumpfes Schmerzgestöhne höhnisch zurück, ohne sich zu öffnen; sie ließen ein metallenes Knarren und Summen ertönen, das dem armen Eingekerkerten wie triumphierendes Gelächter seiner Feinde erklang. Sterben? rief es in seinem sich krampfhaft zusammenziehenden und wieder gewaltsam ausdehnenden Inneren, sterben ist nichts! Aber auf diese Art sterben, oder was noch schlimmer, lebenslänglich in diesem Winkel zum Gerippe zusammengekauert hintrauern müssen!! O menschliche Bosheit, deine Erfindungskunst übersteigt die Blutdurst der Tiere. Manchmal glaubte er, der Ingrimm der Verzweiflung müsse ihm

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