Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
heftig, daß er die ihm vom Sklaven gereichte Schale zu Boden fallen ließ und seiner Mutter erbleichend in die Augen sah.
»Beruhige dich, teurer Sohn,« sagte sie, »ich will nicht in die göttlichen Geheimnisse eindringen, du wirst mich nicht für so verworfen halten, daß ich dein Gewissen dadurch belaste, von dir Aufklärungen über hohe Mysterien zu verlangen, nein! nur einen Blick möchte ich in jenen Tempel werfen, in welchem du ohne Zweifel deine Apparate aufbewahrst und deine Studien betreibst.«
»Mutter, was verlangst du?« stotterte der Verwirrte, »du weißt, der ist des Todes, der uneingeweiht –«
»Ich weiß, ich weiß, mein Teurer,« sagte sie, »aber trotzdem bitte ich dich, führe mich heute abend in den kleinen Gartentempel –«
»Unmöglich,« stammelte er, »du weißt nicht, was du verlangst.«
»Ich weiß genau, was ich verlange!«
»Mutter –«
»Deine Weigerung ist seltsam – Menes! Scheut dein Werk so sehr das Licht? Treibst du Unerlaubtes in dem Tempel?«
Ihre Stimme ward scharf, drohend.
»Unerlaubtes? Nein!« sagte er mit Festigkeit.
»Nun, so will ich deinem Werke beiwohnen.«
Nach einer Pause der peinlichsten Verlegenheit sagte er errötend:
»Wohlan! Du magst einen Blick in den Tempel werfen, doch zuvor muß ich dem Oberpriester Kunde von diesem deinem Vorsatz geben. Ohne seine Erlaubnis könnte dir dieser Besuch falsch gedeutet werden.«
»Wirklich?« frug die Witwe. »Wenn es sich so verhält, so will ich von meinem Wunsche abstehen. Ich möchte den strengen Oberpriester nicht erzürnen, möchte weder dich, noch mich in Unannehmlichkeiten bringen. Was du auch in dem Gartentempel nächtlicher Weile treiben magst, lasse dich nicht stören. Ich werde tun, als wüßte ich nichts von deinen Studien.«
Menes atmete erleichtert auf. Asso aber nahm sich um so fester vor, in einer der folgenden Nächte den Tempel zu besuchen. Sie hoffte in ihrem Innern daselbst keine verborgen gehaltene Geliebte ihres Sohnes zu finden, sondern lebte der festen Überzeugung, er diene in diesem Tempel vielleicht irgendeinem ausländischen Gotte, etwa dem assyrischen Baal oder der Astarte, deren verrufene Kulte zwar in Ägypten gerade nicht verboten waren, die man aber doch gerne dem Auge der Offentlichkeit entziehen mochte.
»Lieber,« sagte dies selbstsüchtige Weib, »will ich ihn vor dem Bildnis der phönizischen Mylitta die Weihrauchpfanne schwingen sehen, als vor einer lebendigen Jüdin.«
Fünftes Kapitel
»Hast du die Laterne?« frug Rebekka.
»Ja!«
»Und den Dolch?«
»Ja.«
»So schließe die Türe und folge mir hinaus auf die Straße. Oder gib mir lieber die Laterne, damit ich sie unter meinem Mantel verberge.«
Isaak klappte den Metallschieber vor das Licht der Laterne. Beide Geschwister schlichen sich leise die Treppen des Hauses herab, öffneten das Tor und traten hinaus auf die dunkle Straße, um ihr gefahrvolles aber auch lohnendes Werk, das Auffinden des ihnen verheißenen, glückbringenden Schatzes zu unternehmen. Beiden mochte es nicht gerade behaglich zumute sein, als sie, prüfende Blicke um sich werfend, im Schatten der Häuser hinhuschten; jedenfalls aber war Rebekka um ein gut Teil gefaßter als Isaak, welcher seiner inneren Erregung durch fast pfeifendes Atemholen Luft machte. Lange sprachen sie kein Wort miteinander; Vorübergehenden wichen sie scheu aus dem Wege. Sie hatten den ebräischen Stadtteil durchwandert; es war nun ihre erste Aufgabe, die Kette der Schildwachen zu passieren, welche dieses Viertel umgab, denn noch immer war den Juden verboten, ihre Häuser zu verlassen. Zwar einer Tänzerin gegenüber, das wußte Rebekka, nahm man es mit diesem Gesetz nicht so genau, nur für die Sicherheit ihres Bruders war es ihr bange.
»Halte dich dicht an meiner Seite,« sagte das Mädchen auf einmal erschrocken, »dort sehe ich zwei Krieger stehen.«
Sie wichen in eine kleine Seitengasse aus; aber auch hier war der Durchgang erschwert, denn ein etwas größeres Fenster ebener Erde warf vor ihnen einen breiten Lichtstrom auf das Pflaster und hinter diesen Scheiben sahen sie mehrere, vielleicht acht wildaussehende, ägyptische Diener der öffentlichen Sicherheit um einen Tisch zechend versammelt. Wüstes Gelächter erscholl aus der Türe dieses Hauses.
»Wäre es nicht vielleicht besser,« begann Isaak zögernd, »wir kehrten für diesmal wieder um? Morgen ist eine Nacht so gut wie heute, – es war ohnehin tollkühn, daß ich deinem Rate folgte.«
»Rede
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