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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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wie Brandfackeln in die Herzen der Weinerhitzten zischten. Sie spielte schließlich geschickt die Beleidigte und brach sofort in einen Strom erheuchelter Tränen aus, der natürlich das Mitleid und die Entrüstung ihrer Partei mächtig erregte. Der junge Bogenschütze lachte und küßte seine Dirne, indem er rief, wer Rebekka beschütze, verstände nichts von der Kunst des Harfenspiels, seine Ohren seien taub, wie die der stummen Kolosse. Man solle doch Rebekkas Finger vergleichen mit denen der zarten Rodopis; hieße das nicht Nilpferdfüße vergleichen mit Lotosblumen? Sei Rodopis nicht schlank wie eine Papyrusstaude, wenn sie sich im Winde wiegt?
    Die Gegner bestritten das heftig.
    »Weine nicht,« sagte der stämmige Wagenlenker, »wer dich schmäht, hat es mit mir zu tun. Diesem jungen Hunde werfe ich meinen Weinbecher an den Schädel, wenn er noch einmal wagt, dich mit Nilpferdefüßen zu vergleichen. Hier, nimm die Harfe und spiele uns ein Lied.« Kaum hatte Rebekka einen Akkord gegriffen, so erhob ihre feindliche Partei einen solchen Lärm, pfiff und schrie dermaßen, daß von ihrem Trinklied nichts mehr zu hören war. Ihre Partei rief nun: »Ruhe! Stille! Spielen lassen! Zuhören!«
    Vergebens! Als nun schließlich, da das Mädchen unbekümmert weiter sang, ein Becher in die Saiten der Harfe geschleudert wurde, erreichte der Grimm des stämmigen Wagenlenkers den höchsten Grad, er riß die Harfe aus den Händen seiner Freundin und drückte sie so gewaltsam über den Kopf des Bogenschützen, daß diesem der Rahmen des Instruments auf den Schultern saß und die zersprungenen Saiten um den Kopf rauschten. Das war das Signal zum Kampf. In einem Augenblicke hatte sich ein dichter Knäuel von Armen, Beinen, Stühlen und Tischen gebildet. Die Weingefäße flogen, geschleudert von nackten Armen, wie Bälle durch das Gemach, die Glasbecher zersplitterten an den kahlen Köpfen der Kämpfenden, Schwerter und Beile wurden herbeigeholt; der Fußboden färbte seine bunten Ornamente bereits mit Blut. Diesen Zeitpunkt benutzte die Jüdin. Sie schlich unbemerkt zur Türe hinaus, öffnete den Riegel zu Isaaks Kerker und gab diesem durch Winke zu verstehen, was vorgefallen war. Ihr Bruder, der den Lärm des Streites vernahm, begriff sofort; der Mann, der ihn bewachen sollte, hatte längst dem anziehenden Reiz eines Handgemenges nicht widerstehen können, so daß die beiden Geschwister unbeeinträchtigt auf die Straße gelangten, von wo sie schleunigst den Hafen der Stadt zu erreichen suchten, um allen Nachstellungen zu entgehen.
    »Bist du unbeschädigt?« frug die Schwester.
    »Völlig,« gab er zur Antwort.
    Weiter ward zwischen ihnen dieser aufhaltende Zwischenfall nicht erwähnt, denn der Gedanke, ihrem großen Ziele immer näher zu kommen, verschlang jede Empfindung. Sie hatten den Hafen erreicht, in dessen stiller Flut die gewaltige Riesin Memphis ihre granitenen Füße wäscht. Die Schiffe hoben ihre Maste in die Nacht empor, die steinerne Treppe erhob sich majestätisch vor ihren Blicken, aber nur der Nachtwind und das Mondlicht huschten über ihre enormen Stufen; weit hinter ihnen verloren sich die zahllosen, wirr durcheinander geworfenen Dächer im Dunkel, von welchen einige sich in den Abgründen des Himmels zu verlieren schienen. Das eintönige Plätschern der Wellen an den Holzbäuchen der Schiffe unterbrach zuweilen melancholisch die tiefe, menschenleere Stille. Leise löste Isaak einen kleinen Kahn vom Ufer, schweigend bestiegen sie denselben. Da die Pforte des Schatzhauses, wie der Vater beschrieben hatte, über dem Spiegel des Nil lag, konnten sie nur auf diese Weise in das Innere dringen. Isaak führte behutsam die Ruder und so rauschten sie, ohne Worte zu wechseln, den Nil hinauf an den ungeheuren Tempeln, Palästen, Privatwohnungen und öffentlichen Gebäuden von Memphis vorbei, die sich mit stummer, finsterer Feierlichkeit in den mondbeglänzten Wellen beschauten. Gleich schlafenden Riesen saßen sie da, diese Säulenhallen, gleich versteinerten Göttern, die das Ende der Welt abwarten, um sich dann drohend zu erheben, die Menschheit zu vernichten. Bald hatten sie die Stadt hinter sich. Auf der einen Seite des Flusses traten die gelben Kalkberge, im Mondlicht gespenstisch schimmernd, hervor, mit ihren Zinken drohend in den Himmel greifend; auf der anderen Seite rauschte ein Akazienwald. Fernher aus dem Gebirge tönte heiseres Gebell der Schakale oder der einsame Schrei eines Raubvogels. Papyrusstauden

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