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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Metall. Sie ruft ihren Bruder, auch dieser gewahrt die Scheibe. Sie besprechen sich.
    »Ich will's versuchen,« murmelt Isaak aufgeregt, und schnürt sich ein mitgebrachtes Seil um die Hüften, tritt an den Rand der Schlucht und läßt sich langsam am Seile hinunter, während seine Schwester das Ende des Seiles um den Fuß einer Steinbank schlingt. Nun kann er mit den Zehen die Scheibe erreichen, er stößt wider dieselbe, es tönt hohl. Er läßt sich weiter herab, er hat das Metall mit der Hand erfaßt; ihm gehen die Augen über, so sehr pulsiert das Blut in seinem Kopf. Ein Griff ragt aus der Wand hervor. Er faßt diesen Kupferring, reißt ihn nach oben, noch einmal, noch einmal und – o trunkene Wonne! – Schacht, Licht, die Schwester, alles wirbelt ihm kreisartig um die Sinne – die Metallscheibe gibt nach, eine schmale Öffnung wird sichtbar. Aber ist das auch wirklich der Eingang zum geheimen Schatz? Er kriecht in die Öffnung hinein. Die bebende Rebekka, die Laterne mit den Zähnen packend, läßt sich ebenfalls am Seile herab und kriecht dem auf einmal mutig gewordenen Bruder nach, weiter, immer weiter, ohne ein Wort zu sprechen, halb wahnsinnig vor Erwartung; der schmale Kanal erweitert sich, ein purpurner Vorhang schließt ihn ab, sie reißen den Verhüllenden auseinander – was wird sich jetzt zeigen? – Eine kahle Wand? Eine Tür? Nein! nichts von beiden – der Schimmer der Laterne wird tausendfach zurückgeworfen, so lebhaft zurückgeworfen, daß die Geschwister die Hände vor die Augen halten, denn ihnen ist, als sprühten tausend Blitze aus diesem Raum, der sich in seiner ganzen funkelnden Großartigkeit vor ihren erschrockenen Blicken auftut. Triumph! rufen sie dann aus einem Munde; ihre Erstarrung macht einer fieberhaften Hast Platz, denn er ist gefunden, der Saal des Glücks, sie stürzen in sein Inneres, sie treten auf seine kostbaren Teppiche, sie betasten seine goldenen Urnen, seine Schalen, seine prachtblitzenden Tapeten, sie werfen sich auf seine Polster, sie greifen mit zitternden Fingern in seine mit Goldringen bis an den Rand gefüllten Kisten; das Ziel ist erreicht, das ist der langersehnte Schatz. Wie die Kinder durcheilen nun die beiden Erwachsenen diese unterirdische Welt des Reichtums; jeder Gegenstand wird, ohne irgend etwas davon zu nehmen, neugierig befühlt; nur Rebekka, rascher ihrer selbst mächtig, eignet sich sofort eine prächtige Perlenhalskette an. Als Isaak allmählich aus seiner freudigen Trunkenheit erwacht, leuchtet er vorsichtig an den hohlen Wänden des Saales empor, wobei ihm vor allem die Regelmäßigkeit auffällt, mit der die Reichtümer auf elfenbeinernen Tischen verteilt liegen. Gerade, als sei Ramses soeben erst durch die engen, teppichbelegten Gassen gewandelt, welche den Saal von allen Seiten durchschneiden, um sich an der Pracht seiner Kostbarkeiten stolzen Auges zu weiden, liegen rings die Gewänder, stehen die geöffneten mit Ringen oder Skarabäen gefüllten Truhen, hängen funkelnde Halsketten von goldenen Gestellen und bauschen sich die buntgewirkten Purpurpolster auf reicheingelegten Sesseln. Von Staub, von Moder ist hier nichts zu bemerken, wohl aber gewahrt Rebekkas scharfes Auge in einer mit Goldstaub ausgefüllten Schüssel noch den Eindruck der Hand dessen, der vielleicht vor fünfzig Jahren darinnen gewühlt. Freudigen Blickes deutet Isaak auf ein goldenes Schreibzeug, auf das silberne Modell eines Schiffes; Rebekka kniet in trunkenem Entzücken vor einem Putztisch nieder, bedeckt mit goldenen Kämmen, Leuchtern, edelsteinbesetzten Nadeln. Da, mitten in diesem Rausch des Entzückens zuckt plötzlich die Lampe der Geschwister ersterbend auf. Die Schwester springt entsetzt hinzu, um den Docht tiefer in das kaum mehr sichtbare Tröpfchen Öl zu tauchen und so wenigstens für den Augenblick das Erlöschen zu verhindern. Isaak steht wie gelähmt und sieht dem Sterben der Flamme zu. Keine Rettung? Im Übermaß ihrer Freude haben sie vergessen, wie spärlich es um die Nahrung ihrer Lampe beschaffen war; sollen sie jetzt inmitten ihres Glückes, umgeben von dieser Pracht, aus der sie mit vollen Händen schöpfen dürfen, umkommen? Schon neigt sich der Docht langsam zur Seite, schon stößt die Flamme dicken Qualm aus, als Zeichen ihres Endes, da fällt das Auge des zitternden Mädchens auf einen an der Wand glänzenden, prächtigen Silberleuchter. Rasch entschlossen fliegt sie mit ihrer Laterne herzu und berührt auf gut Glück mit der Flamme den

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