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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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drängten sich dicht in den Fluß herein; der Ruderschlag schreckte die Vögel, die sich darinnen niedergelassen, empor. Da legte Rebekka ihrem Bruder leise die Hand auf die Schulter und deutete, als dieser fragend empor sah, nach dem Süden. Dort über dem Palmenhain erhoben sich zwei dicke, schwarze, schief ansteigende Klumpen nebeneinander in den mattblauen Nachthimmel – es waren die Pylonen eines Palastes.
    »Wir sind zur Stelle,« flüsterte Isaak, »eines dieser Ungetüme ist unser Schatzhaus.«
    Der Kahn näherte sich dem ersten Palast, der zweite tauchte aus dichtem Gestrüpp auf und nun, nach wenigen Ruderschlägen, lag, umgeben von breitästigen Sykomoren, das Schatzhaus, ein finsterer Koloß, vor den beiden hocherregten Schiffern. Klopfenden Herzens betrachtete der arme Jude das Gebäude. Das also war der Ort, von wo ihm sein Glück kommen sollte? Diese schweigenden, geheimnisvollen Mauern bargen die Schätze, die sein Elend in ein blühendes Paradies verwandeln sollten? Er ließ das Ruder sinken, ein Gefühl wie Ehrfurcht und Schrecken hielt ihm die Sinne gefesselt. Auch Rebekka hielt den Atem an; dies massig aufragende Steinungeheuer, vom Mondlicht phantastisch überrieselt, machte selbst auf ihr im ganzen unempfindliches Gemüt einen Eindruck finsterer Erhabenheit. Eine Zeitlang sah sie, von Schauern überlaufen, empor, bis wo das breite, flache Dach scharf in den nachtblauen Himmel einschnitt. Doch nun galt es handeln. Ihr scharfer Blick suchte bereits ängstlich an der schief vor ihr aufgerollten Riesenwand, die mit bunten Gestalten und Hieroglyphen übersät war, das Bild des Gottes Sebek mit dem Krokodilhaupt. Isaak wachte nach und nach ebenfalls aus seinem Erstaunen auf; das Gebäude, das ihm anfangs wie ein großer Sarg erschienen war, betrachtete er allmählich mit nüchternen Blicken; er sah schließlich nur eine große Geldkiste in ihm. Sorgsam, die Papyrusstauden zurückdrängend mit dem Ruder, legte er an der Wand des Gebäudes an.
    »Siehst du den Gott Sebek?« frug er leise.
    »Nein, noch nicht.«
    »Halt, jetzt tritt der Mond hinter dem Gipfel der Kalkberge hervor – jetzt werden wir genauer prüfen können. Aber wie stille es hier ist. Kein Lüftchen regt sich, keine Welle. Doch! eben streifte mich ein kühler Wind. Sieh doch, wie uns die Berge zuschauen, mir scheint, sie nicken uns zu! Mir schaudert.«
    »Sei nicht so töricht,« ermahnte Rebekka, »betrachte die Dinge, wie sie sind, nicht, wie sie dir scheinen.«
    Fernherüber säuselte das Schilf; dicht neben ihnen ließ sich ein leises Schlürfen, ein eigenes Rollen vernehmen.
    »Was ist das?« frug Isaak.
    Das Schilf knickte, Wogen rauschten auf.
    »Halt!« flüsterte das Mädchen, »vielleicht nähert sich ein Boot, verbirg dich im Papyrus.«
    Das Rauschen der Wogen kam näher, die beiden Abenteuerer drückten ihren Kahn in das Gestrüpp, jeden Augenblick gewärtig, von einem vorüberfahrenden Segler entdeckt zu werden. Nun erfüllte ein Pusten die Luft, wie es Isaak noch nicht vernommen, gleich darauf schwamm eine schwarze Masse träg auf den Wellen heran.
    »Beruhige dich,« lachte Rebekka, »ein Nilpferd hat uns in Schrecken versetzt. Sieh, es hat uns bemerkt, es ändert seinen Weg.«
    Isaak hob, erleichtert aufatmend, seine Augen zu dem Palast empor; der Mond beleuchtete nun mit grünlichem, wehmütigem Glanze die schiefe Wand desselben. Beide ließen die Blicke über das Gewirr von bunten Gestalten schweifen, das da vor ihnen in die Höhe tanzte. Sie suchten lange!
    »Halt! Dort!« rief Rebekka endlich.
    »Wo?«
    »Gib mir das Ruder, ich geleite den Kahn bis vor das Bild.«
    Der Papyrus krachte unter dem Bug des Kahnes, bald schmiegte sich derselbe fest an die Riesenwand des Hauses. Richtig! da saß der Gott auf dem Thron, in der Hand die Lotosblume, das Krokodilhaupt starr emporgerichtet. Ein unheimliches, lebloses Bild, das aber in diesem Augenblick unserem Freunde zu leben schien. Ihm war, als könne es ihn mit der rotbraunen Faust erwürgen, er schauderte davor zurück, wie vor einer lebendigen Leiche.
    »Soll ich durch den Druck öffnen?« frug Isaak.
    »Ja, nur zu!«
    »Ich fürchte mich!«
    »Dummheit! So laß mich aufdrücken.«
    Aber selbst die Hand Rebekkas zitterte sichtbar, wie sie sich der Lotosblume näherte. Isaak beleuchtete nun mit seiner Laterne das Bild, und selbst Rebekka zuckte davor zurück, denn es schien ihr, als schaue es ihr drohend ins Auge. Ärgerlich über diese Schwäche legte sie endlich ihre

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