Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
fallen, dann können wir bis zum Untergang der Welt hier hausen.«
Isaak war, die Haare zu Berge, atemlos, schlotternd an Arm und Bein, mit allen Anzeichen des Entsetzens stehen geblieben, als er eben einen Pfeilervorsprung umschritten.
»Sieh doch,« hauchte er, »sieh doch – –«
»Siehst du Gespenster?«
»Komm hierher – weh uns! Ein Mann dort – sieh! schnürt sich die Sandalen – was tun? . . .«
»Wie sagst du? Ein Mann hier unten –? Du rasest!«
Rebekka trat vor, prallte aber sogleich, gerade wie es Isaak begegnet, zurück. Was war das? Wirklich? Ein lebendes Wesen? Hier unten? Vielleicht ein Wächter? Sie nahm die Laterne zur Hand und trat mutig einen Schritt vor, ein lautes: Wer da! erschallen lassend, welches seltsam dumpfe Echos wachrief – richtig, da stand ein Mensch in gebückter Stellung – sie schlich auf den Zehen zur Seite, den Schein der Lampe nach dem Wesen richtend – kaum hatte sie dies getan, so stieß sie, zu Isaaks größtem Erstaunen, ein lautes Gelächter aus – das Wesen entpuppte sich als ein mit auffallend frischer, naturwahrer Farbe gemaltes Bild. Beide atmeten nach dieser Entdeckung auf und schritten weiter. Wieder hatten sie mehrere Hallen durchwandelt, wieder derselbe eintönige Anblick, dieselbe schauerliche Grabesruhe in dem unterirdischen Palast; endlos schienen sich diese öden Gemächer fortzusetzen in solchen schneckenartigen Windungen, daß sich zu dem Gefühl von Verlassenheit, das die Geschwister empfanden, noch die erschreckende Aussicht gesellte, sich schließlich in diesem Gewirr von Gängen und Treppen zu verirren, denn schon lag der Docht der Lampe bloß, schon war die größte Menge des Öles aufgebraucht. Und was beginnen, wenn die Lampe nicht mehr ausreichte, den Ausgang aufzusuchen? Diesen Gedanken drängten die beiden möglichst zurück; aber bald! rief es laut in ihrem Innern, sehr bald! mußte sich der verhängnisvolle Eingang zum Schatze zeigen, sonst – – weiter verboten sie sich, die Zukunft auszumalen.
Sie standen jetzt vor einem ungefähr fünfzehn Fuß breiten Schacht, der augenscheinlich gegraben war, um dem Dieb Einhalt zu gebieten oder ihn zu verschlingen, wenn er unvorsichtig den Fuß weiter setzte. Rebekka sah zu ihrem Bruder empor. Isaak blickte ratlos in die Finsternis hinab. War es vom Schicksal bestimmt, daß ihre Habsucht nicht befriedigt werden sollte? Hatte der Vater vielleicht im Fieberwahn sein Geständnis gemacht? War nie ein Schatz vorhanden gewesen? Oder war er wieder aus dem Hause entfernt worden? War dieser Schacht wirklich das Grab ihres Glückes, ihrer Hoffnung?
»O Vater, du sandtest uns in den Tod,« murmelte Isaak erzitternd. »Wir müssen umkehren, Schwester, hier ist nichts zu finden, als Grabesruhe und Steinwerk. Komm! Gehen wir schleunigst, ehe die Lampe erlöscht. Mir schwindelt der Kopf, meine Glieder sind von diesen anhaltenden Aufregungen wie gelähmt; kaum halte ich mich noch aufwärts.«
»O Gott unserer Väter, ist es dein Wille, uns zu verderben?« frug nun Rebekka mit verhaltenem Groll. »Nein, Isaak, ich überlebe diese Schmach, diese grausame Enttäuschung nicht, die der Vater über uns verhängt. O, ich möchte den verstorbenen König Seti im Grabe bespeien, daß er mit seinen Schätzen Versteck spielt. Betrogen sind wir, uns narrt ein Dämon. Zu was noch leben? Wie malte ich mir bereits aus, wie ich mich durch die Straßen von Memphis in prächtiger Sänfte tragen lassen wollte. Ich hatte bereits im Geist einen Anzug, feiner, als derjenige der Königin; weißt du, Isaak, ich meine den Anzug, der, dünn wie Spinngewebe, die weißen Glieder des Körpers so reizend durchschimmern läßt. Ich sah mich schon bedeckt mit Edelsteinen. Mein Halskragen glitzerte von Perlen, ich ließ mir von schönen Zofen Narden und köstliche Salben über den Leib gießen, ich triefte von duftenden Ölen, ich spielte mit den Herzen der ersten Männer des Reiches – ich! Oh! in diesen Schacht möcht' ich mich werfen, denn aus diesen glänzenden Luftgebilden wird niemals Wirklichkeit, und das ertrage ich nicht.«
Eben wollten sich beide zum Gehen wenden; Isaak hatte bereits den Ausgang erreicht, da leuchtete Rebekka, ohne zu wissen was sie tat, noch einmal in den Schacht hinunter.
»Nichts? Gar nichts?« rief sie höhnisch.
Doch was war das? Was schimmerte dort in halber Höhe in der entgegengesetzten Wand des Schachtes? Ist es ein Schild? Noch einmal taucht sie die Laterne in den Schlund. Es blinkt wie
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