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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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lachte die Jüdin höhnisch.
    »Alles trifft zu.«
    »Was trifft zu?« frug Isaak.
    »Myrrah hat mir einst ihre Lebensschicksale erzählt,« flüsterte sie, »daraus geht mir hervor, daß die in der Rolle erwähnte Rahel, die Mutter Myrrahs, die Geliebte Setis I. war. Auch mit der Verschwörung und den Goldbergwerken hat es seine Richtigkeit.«
    »Täuschst du dich nicht?«
    »Nein!«
    »Myrrah! eine Königstochter?« rief Rebekka neidvoll, »der Gedanke ist mir unfaßbar. Die arme, schwache Myrrah unter dem Baldachin des Thrones geboren? Nein! das hätte ich mir nie träumen lassen, und wenn man mir zuvor einen wahnsinneinflößenden Schlaftrunk beigebracht.«
    Rebekka durchwühlte noch einmal eifrig die Schatulle und zog gleich darauf ein kleines, auf Elfenbein gemaltes Bild aus ihrem Inneren. Sie wickelte das handgroße Elfenbeinblättchen aus seinen verhüllenden Leinwandbinden und hielt es dem erstaunten Bruder hin.
    »Hat dies Gesicht keine Ähnlichkeit mit dem Myrrahs?« frug sie.
    »Beim Himmel,« sagte er, »dieselbe Stirn und Nasenbildung; auch das eigentümlich Träumerische des Auges erkenne ich wieder.«
    Beide saßen einige Augenblicke schweigend da. Es ließ sich jetzt nicht mehr daran zweifeln, daß Myrrah die Tochter des Königs war, und die Gewißheit erfüllte die beiden Finder des wichtigen Dokumentes mit Neid und Verdruß. Sobald dieses Schriftstück in die Hände des jetzt regierenden Königs oder eines seiner Beamten fiel, war Myrrah aus dem Staube ihrer Abkunft emporgehoben. Sie, die jetzt noch an den Ufern des Nil Blumen suchte, Kränze im Schweiß ihres Angesichts wand, tagelang in der glühenden Sonnenhitze an den Straßenecken ihre Ware feilbot, Schmach zu erdulden hatte, kaum ihre notwendigsten Bedürfnisse befriedigen konnte, sie wurde, sobald dies Dokument an das Licht der Sonne trat, wie mit einem Zauberschlage auf den Gipfel der Sterblichen gestellt. Wie glücklich war das Kind! Von selbst fiel ihm sein Glück in den Schoß.
    »Wenn wir,« begann Rebekka leise, »wenn wir diese Rolle verbrennen, Isaak, wer ahnt die geheimnisvolle Verwandtschaft unserer Myrrah? Von dem Dasein dieser Rolle hat kein Sterblicher eine Ahnung in Ägypten und die Himmlischen pflegen zu schweigen auf ihren steinernen Stühlen. Wahrscheinlich wurde, da Seti sehr rasch starb, dies Testament, samt der Schatulle, in welcher es verborgen lag, hier im Schatzhause untergebracht, ohne daß es jemals ein Auge gelesen. Wir sind die alleinigen Wissenden; wenn diese Worte vernichtet werden, ist auch Myrrahs hohe Geburt vernichtet; sie ist, was auch wir sind, und Menes weiß nicht, wenn er ihren Mund küßt, daß er ein Königskind in den Armen hält, deren Liebe ein halbes Reich wert ist.«
    Sie näherte das dünne Blatt der Lampe, um es auf ewig zu zerstören. Isaak aber hielt ihren Arm zurück.
    »Halt,« rief er, »du kannst nicht wissen, wie uns diese Rolle einst zustatten kommen mag. Wer weiß, ob sie uns vielleicht später gute Dienste leisten wird, wenn wir uns bedroht sehen. Wir verbergen sie besser vor den Augen der Welt, dann ist sie gewissermaßen zerstört, kann aber von uns zu jeder Zeit benutzt werden.«
    Rebekka fand diese Vorsicht gerechtfertigt und verbarg, nachdem sie noch einmal einen Blick darauf geworfen, die Rolle in ihrem Kleide.
    »Danken wir dem günstigen Zufall,« sagte sie darauf heiter, »der uns dies Blatt in die Hände gespielt. Nun mag meine kleine Myrrah ihr Leben in Dürftigkeit zubringen, während wir im Reichtum schwelgen.«
    »Wenn sie,« kicherte Isaak, »eine Ahnung hätte von dem königlichen Blut, das in ihren Adern rollt?«
    »Oder wenn Menes diese Rolle entdeckt?« sagte Rebekka. »Nun, dafür, daß er sie nicht findet, soll gesorgt werden. Doch dies Dokument wird meinem Haß nur neue Nahrung geben, ich werde nicht aufhören, dies Königskind in Lumpen zu verfolgen. Ich nehme ihr sehr übel, daß ein König ihr das Leben gab; sie hat sehr unrecht an mir gehandelt, daß sie sich von einer königlichen Geliebten gebären ließ. Dies war ein Verbrechen und verdient strenge Strafe.«
    Sie dachte dabei an Asso und den Plan, Myrrah mit ihrem Liebhaber zu überraschen. Asso hatte sich zwar in der letzten Zeit sonderbarerweise diesem Plane abgeneigt gezeigt, aber sie hoffte, die Witwe wieder für denselben zu gewinnen. Einige Augenblicke hindurch starrte sie, auf die Vernichtung ihrer verhaßten Nebenbuhlerin sinnend, in die bläuliche Flamme der Lampe, dann raffte sie hastig, wie aus

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