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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Freundlichkeit entgegengekommen, hatte sie »Mein Kind!« angeredet und ihr die Wangen gestreichelt. Von dem Augenblick an, als Menes das Haus verlassen, änderte sich das Benehmen des stolzen Weibes auffallend; sie bekümmerte sich kaum um ihre Schutzbefohlene, ja manchmal mochte es scheinen, als begünstige sie die Spöttereien der Diener. Ein Brief, den Menes von Theben aus an seine Mutter gerichtet und worin er Myrrah ihrer Sorge aufs dringendste empfahl, übte weiter keinen Einfluß auf die Handlungsweise der Frau. Myrrah gewahrte dies mit quälender Besorgnis; so sehr sie sich auch auf schlimme Tage gefaßt gemacht hatte, das, was sie nun zu erdulden gezwungen war, überstieg alle ihre Erwartungen. Aber selbst in ihrem tiefsten Seelenjammer schleuderte sie keine Vorwürfe auf das Haupt ihres Geliebten – er wollte ja ihr Bestes! sie mußte leiden, weil sein leichtgläubiges Herz sich in derjenigen geirrt, die er gezwungen war, als Mutter zu verehren. Ihre Unruhe stieg, als sie bald mehrere peinliche Beobachtungen machen mußte. Sie sah nämlich einmal, wie Asso, ehe sie sich zur Nachtruhe niederlegte, lächelnd dem Diener, der ihr den Abendtrunk zu reichen hatte, ein paar auf sie bezügliche Worte ins Ohr flüsterte, worauf dieser, ein keck aussehender, blutjunger Ägypter, feurige Blicke auf sie schoß. Myrrah entfernte sich, nachdem sie dies mit Abscheu bemerkt, hastig auf ihr Zimmer. Als sie die Türe geschlossen, hörte sie noch den jungen Diener häßlich auflachen. Bald darauf klopfte es leise an die Türe ihres Schlafgemachs, sie aber öffnete nicht.
    Ein andermal schalt sie der Haushofmeister in Gegenwart der Gebieterin mit rohen Worten, ohne daß dieselbe es ihm untersagt hätte. Diese Scheltworte überraschten sie, der man bis jetzt nur Freundliches gesagt, dergestalt, daß sie an diesem Tag wie von einem bösen Traume befangen einherschlich. Einige Tage später stach sie, als sie sich ungeschickt beim Ankleiden benommen, eine der Zofen mit einer goldenen Nadel in den Oberarm, wobei die Gebieterin tat, als habe sie diese Roheit nicht bemerkt. Des armen, verlassenen Kindes Mißtrauen wuchs, als sich von Tag zu Tag immer deutlichere Anzeichen einstellten, daß die Witwe das Versprechen, welches sie ihrem Sohne in betreff seiner Geliebten gegeben, nicht nur nicht zu halten gedachte, sondern daß sie diesem Versprechen durchaus zuwider zu handeln sich befleißigte. Einst hatte Myrrah ein Gefäß voll Datteln, das sie der Herrin zu reichen hatte, zu Boden fallen lassen; der Griff blieb in ihren Händen, während die Schale sich davon lostrennte. Dies Lostrennen trat so plötzlich ein, daß Myrrah sofort den Verdacht schöpfte, man habe den Henkel absichtlich vorher von dem Gefäß gebrochen, um ihn notdürftig wieder daran zu kleben, damit ihr dieser Unfall aufgebürdet werden könne.
    »Ich bin gewiß unschuldig, Herrin,« stammelte sie, »der Griff war kaum an die Schale befestigt.«
    »Ja, ja,« höhnte der Aufseher Mut, »unschuldig! Die Luft ist wohl schuld an dem Zerbrechen dieser Kostbarkeit? Oder ein böser Geist, der sich auf ihren Rand setzte, als du sie anfaßtest?«
    Sogleich versetzte der Erzürnte ihr einen Schlag mit der flachen Hand auf die Schultern. Myrrah wandte sich mit stummem, blassem Gesicht zu Asso; der schmerzliche Ausdruck ihrer Augen schien sagen zu wollen, sie habe so unbarmherzige Strafe nicht verdient; diese jedoch drehte sich um, dabei dem Aufseher hastig nickend, einen ermutigenden Blick zuwerfend. Der Aufseher versetzte ihr hierauf lachend einen zweiten Schlag, absichtlich dabei auf unverschämte Weise ihr Tuch vom Busen streifend. Das Mädchen, anfangs vor Entrüstung sprachlos, brach sodann in Tränen aus.
    »Tue nicht so zimperlich,« bekam sie von der Herrin zu hören.
    »Wenn dein Sohn wüßte, Gebieterin,« schluchzte die Gekränkte, »wie man mir seit den wenigen Wochen seiner Abreise hier begegnet – Oh! –« weiter ließ sie ihr Schmerz nicht kommen, ihre Stimme erstickte in einer nicht mehr zurückgepreßten Flut von Tränen.
    »Nun? nun? dann? Was würde dann der Fall sein, wenn er es wüßte? Glaubst du wirklich, er dächte noch an dich?« entgegnete die Herrin barsch. »O, du Leichtgläubige! Sei nicht töricht, Kleine. Du mußt erzogen werden. Gebildet werden. Dankbar sein solltest du für die Züchtigung, die ich dir angedeihen lasse. Du hast ja doch nur das Gnadenbrot.«
    »Oh! warum ließ ich mich betören, hierzubleiben,« flüsterte Myrrah, ihre

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