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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Tränen gewaltsam unterdrückend, während Mut sie frech angrinste.
    Myrrah schickte heimlich einen Boten nach Theben mit einem Schreiben an Menes, worin sie ihr Leid klagte und ihn bat, zurückzukehren; sie wüßte nicht, was sie, wenn keine Hilfe nahe, aus Verzweiflung begänne. Der Brief enthielt so dringende Bitten, so innige Klagen, daß er, wenn sich Menes nicht von Grund aus verändert hatte, unbedingt einen tiefen Eindruck in seinem Gemüt hinterlassen mußte. Das fühlte die Verlassene, daran klammerte sie sich mit all ihrer Hoffnung – und sie erhielt auf diesen Brief nicht die kleinste Antwort! Sie wartete von Tag zu Tag, von Woche zu Woche – vergeblich! War ihr Schreiben unterschlagen worden? War ihr die Antwort ihres Geliebten vorenthalten worden? Oder – doch unmöglich! Menes konnte sie so schnell nicht vergessen; gewiß! er hatte ihr geantwortet. Plötzlich, nach mehreren Wachen, änderte sich das Benehmen der vornehmen Dame. Wenn sie an Myrrah vorüberschritt, blieb sie stehen, betrachtete sie mit mitleidigen Blicken oder streichelte ihr gutmütig über die Hand, dabei ausrufend: »Armes Ding! schlimme Erfahrungen!« Dies sonderbare Gebaren wiederholte sich so oft, daß sich das Mädchen allmählich ernstlich die Frage vorlegte, was ihre Gönnerin denn nur mit diesen Worten bezwecke, denn irgendeine, ihr bis jetzt verborgen gehaltene Ursache mußte doch diesem auffallenden Betragen zugrunde liegen. Sollte Menes erkrankt sein? Doch warum teilte sie dies ihr nicht offen mit?
    Eines Abends ließ Asso das Mädchen an ihr Lager rufen. Als sie eintrat, entfaltete die Dame eine Papyrusrolle, rückte den Schirm der Lampe zurück und frug Myrrah mit weicher Stimme:
    »Liebes Kind, liebst du meinen Sohn noch immer?«
    Das Mädchen sah betroffen empor.
    »Gewiß, hohe Frau,« war ihre schüchterne Antwort.
    »Ach! ach! du Gute! Wenn er nur ebenfalls einen so treuen Charakter besäße wie du! Ach, mein Sohn, mein leichtfertiger Sohn!«
    »Er ist gut und treu,« flüsterte das Mädchen, über dessen abgehärmte Wangen bei der Erinnerung an ihn ein verklärendes Lächeln glitt.
    »Gut und treu? Du Arme! Nein, denke dir, das ist er nicht,« sagte Asso, die Papyrusrolle seufzend entfaltend.
    »Wer wagt es, ihn zu verleumden,« entgegnete Myrrah fast herausfordernd. »Ich weiß, daß ich auf seine Treue bauen kann, wie ich ihn kenne, kennt ihn niemand auf Erden. In meinen Augen soll ihn mir nichts herabsetzen.«
    »Hier in diesem Brief wird mir gemeldet,« sprach Asso in bedauerndem Tone ruhig weiter, »daß er sich, denke dir, mein Menes, sich um die Hand Heseptas bewirbt, der Tochter des Oberfeldherrn! So angenehm mir nun eine solch vornehme Verbindung wäre, muß ich doch bedauern, daß seine Neigungen so schnell wechseln. Das wirft ein häßliches Licht auf sein Gemütsleben. Wie schnell hat er dich vergessen, gutes Kind. Ja, ich muß das sehr tadeln, es ist nicht zu billigen. Komm, gib mir deine Hand; ich will gut zu machen suchen, was er an dir verbrochen.«
    Myrrah schüttelte das Haupt, redete jedoch keine Silbe. Die Witwe fuhr fort, von der Wankelmütigkeit ihres Sohnes zu sprechen und bemerkte nicht, daß sich allmählich eine große Träne unter der Wimper des Mädchens hervorstahl.
    Mit den hastig hervorgestammelten Worten: »Das glaube ich nicht,« unterbrach endlich die Weinende den Redeschwall der vornehmen Dame.
    Mitleidig lächelnd klatschte Asso in die Hände, und sogleich erschien ein Sklave, dem sie auftrug, den Boten, der diesen Brief aus Theben gebracht, vorzuführen. Dieser Bote erschien im Reiseanzug und beteuerte die Wahrheit des Briefes mit solcher Sicherheit, daß Myrrahs Busen von quälenden Zweifeln zerrissen ward. Sie wankte und mußte sich setzen.
    »Ich habe einen Plan,« lächelte hierauf Asso geheimnisvoll, indem sie Myrrahs Ohr dicht an ihren Mund heranzog, »höre, wie wäre es, mein Kind, wir nähmen Rache an dem Treulosen! Er verdient Strafe!«
    »Wie? Wie meint Ihr?« frug das Mädchen verwirrt.
    »Nun sieh,« fuhr die andere fort, »wenn er erführe, du seiest seinem Beispiel gefolgt, du seiest, ohne ihn zu fragen, ohne seine Einwilligung, in den Stand der Ehe –«
    Aber Asso hatte noch nicht ausgeredet, als Myrrah sie mit der entschiedensten Gebärde des Widerwillens unterbrach und eiligst das Zimmer verließ.
    So sehr auch Myrrah an der Wahrheit dieser Nachricht zweifelte, schnitt sie ihr doch bei dieser raschen Mitteilung tief ins Herz. Sie fühlte in ihrer

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