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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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während Menes' Abwesenheit ruhte. Und dennoch konnte sich der Jüngling nicht entschließen, das Haus seiner Mutter zu verlassen; von einem Tag auf den anderen verschob er die Abreise; es war, als flüstere ihm sein guter Dämon Warnungen ins Ohr, über deren Rätsel zu brüten er nicht Zeit genug finden konnte. Wie oft hatte er sich gesagt: Der kommende Morgen sieht dich nicht mehr in Memphis! Aber ein zaghafter Blick aus Myrrahs Gazellenaugen brachte stets seine Entschlüsse wieder zum Wanken.
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    Asso mochte Gründe haben, ihren Sohn nicht zur Abreise zu drängen, sie vermied selbst allzuviel Gewicht auf die Beschleunigung derselben zu legen. Menes war ein zuvorkommender Sohn, wie ihn sich eine Mutter nur wünschen kann. Er trug Asso auf den Händen, war stets um sie beschäftigt, half ihr sogar beim Ankleiden und unterstützte seine Myrrah in ihren häuslichen Beschäftigungen, in welche sie allmählich eingeweiht wurde, da sie ihr Amt bereits angetreten. Das Verhältnis von Mutter und Sohn schien sich gänzlich umgewandelt zu haben, Scherz und Lachen trat an die Stelle der früheren verdrossenen Schweigsamkeit. Menes bezeugte seine Dankbarkeit in tausend Kleinigkeiten, ja er ließ sich sogar dazu herab, das ihm verhaßte Brettspiel zu erlernen, das seine Mutter allabendlich meist mit dem Nomarchen spielte, und brachte es in kurzer Zeit dahin, fast regelmäßig den Sieg davonzutragen, was Asso zu der Bemerkung veranlaßt: er habe ein entschiedenes Talent zum Feldherrn. Sogar an den Geruch einer gewissen Blume, den Asso über alles liebte, gewöhnte er sich, obgleich er ihm fast Übelkeit erregte. Er hatte indes seine Mutter im Verdacht, daß sie nur deshalb diesen Duft jedem anderen vorzog, weil ihn der verstorbene König Seti für den feinsten erklärt. Auch über den Stuhl, auf welchem dieser König gesessen, da er das Haus Assos mit seinem Besuche beehrt, und der wie ein Heiligtum aufbewahrt wurde, erlaubte sich Menes keine Scherze mehr. Mehr denn fünfzigmal ließ er sich geduldig diesen Besuch des Königs schildern, da er wußte, wie sehr Asso diese Tage als den Glanzpunkt ihres Lebens betrachtete, ja er unterdrückte stets das aufsteigende Lächeln, wenn sie nicht ohne Stolz erwähnte, daß der Sohn der Sonne sich nicht satt an ihrem damals sehr niedlichen Fuße habe sehen können, und daß er seinem Bildhauer den Befehl gegeben, diesen Fuß in Gold nachzubilden. Über die mysteriöse Liebesgeschichte des Herrschers schwieg sie standhaft. Myrrahs Leben war, verglichen mit ihrem früheren, ein blühender Rosenbusch. Sie aß mit Menes und Asso an einem Tisch, was natürlich den Neid der Dienerschaft heftig hervorrief, sie brauchte nicht viel zu arbeiten, sie hatte ein bequemes Zimmer, und dennoch blieb sie schweigsam, verschlossen. Kaum, daß ihr Menes' Zärtlichkeit ein wehmütiges Lächeln entlockte. Wenn er sie über ihr Betragen zur Rede stellte, nahm sie zwar für kurze Zeit ihre heitere Miene wieder an, jedoch ihr Lachen klang so erzwungen, ihre Zärtlichkeitsbeweise waren so feierlicher, ernster Natur, daß Menes sie einst betroffen ansah, wähnend, er habe ihre Liebe verloren. Da jedoch, als er ihr dies sagte, brach sie in einen Strom von Tränen aus, sank vor ihm zu Boden und rief: »Menes, gedenke meiner, wenn du im Königspalast zu Theben wandelst!«
    Hierauf eilte sie hinweg. Es war klar, sie malte sich die Versuchungen aus, deren Menes am Hof zu Theben ausgesetzt sein würde und ihr liebendes Herz erbebte, wenn sie sich verglich mit den reichen Töchtern der vornehmen Königsbeamten. Menes eilte ihr erschrocken nach; auf seine Beteuerungen erwiderte sie nichts; Tränen waren ihre ganze Antwort. Wenige Tage später kam ein Schreiben des Oberkämmerers an, welches Menes nach Theben rief und ihm gute Aufnahme im Königspalast versprach. Als Asso ihrem Sohne diesen Brief vorlas, überwältigte ihn ein heftiges Zittern. Er war keiner von denen, welche die Zukunft leicht in zu rosigem Lichte erblicken; bange Vorgefühle stiegen in ihm auf und eine gewisse süße Beklommenheit bemächtigte sich seiner, wie sie der fühlt, der mit warmen Gliedern in einen kalten Strom springen will. Myrrahs Zukunft war gesichert – die seinige fröstelte ihn unheimlich an, wie der Eingang zu einem Felsengrab.

    Zweites Kapitel
    Menes hatte Memphis verlassen. Der Abschied war von Asso mit Absicht so sehr verkürzt worden, daß, ehe Menes oder Myrrah recht zur Besinnung kamen, bereits Felder und

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