Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
solchen Frau zu werden, gab schließlich den sanften Vorstellungen ihres Geliebten Raum und erklärte ihm, daß sie willenlos, was er von ihr wünsche, tun werde, daß sie jedoch gegen Asso eine unüberwindliche Abneigung gefaßt. Sie beschwor ihn, nicht jedem Worte seiner Mutter Vertrauen zu schenken, sie riet ihm zu prüfen, zu beobachten; Menes jedoch wies fast mit Entrüstung die Zweifel zurück, die das Mädchen in die Offenheit Assos setzte. Er tadelte ihr Mißtrauen und versicherte, seine Mutter ließe sich zwar leicht hinreißen, jedoch sei ihr Charakter höchst achtbar und unantastbar.
»Ich habe dich gewarnt,« entgegnete Myrrah, »mehr kann ich nicht tun. Jedoch ich werde, auch wenn er mir Unheil bringen sollte, deinem Befehl folgen und will mich befleißigen, deiner Mutter zu gefallen. Sie soll nie über mich zu klagen haben.«
Hierauf verfügten sich alle nach dem Palast zurück, Asso leutselig plaudernd an ihres Sohnes Seite wandelnd, Myrrah schweigsam und Rebekka den Dreien im Tanzschritte singend vorauseilend.
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Von diesem Tage an hatte sich Menes nicht mehr über seine Mutter zu beklagen. Obgleich sie seine Zusammenkünfte mit dem Mädchen überwachen und dieselben öfter unterbrechen ließ, war doch ihr Betragen tadellos, behandelte sie die Geliebte ihres Sohnes mit der Achtung, die einer solchen gebührte. Menes ließ es nicht an Dankbarkeit fehlen; man hätte scherzweise sagen können, er verwandelte sich in den Geliebten seiner Mutter, mit soviel Höflichkeit trug er ihr den Sonnenschirm nach, mit soviel Galanterie bot er ihr bei Tafel die Schüsseln. Die Mutter ging auf seinen Scherz ein, nahm das galante Betragen einer viel umworbenen Hofdame an und wußte, graziös wie in ihren jungen Tagen, mit dem Palmblattfächer ihres Verehrers Schulter zu schlagen. Der vertrauungsvolle Jüngling wußte sich die oft nachdenklichen Falten der mütterlichen Stirne nicht zu deuten, seine Menschenkenntnis reichte nicht aus, um hinter der glatten Freundlichkeit dieser Weltdame das ewig arbeitende Herz der Intrigantin schlagen zu hören, und so lebte er in kindlicher Unbefangenheit dahin, im Wahne, seine Mutter füge sich seiner Autorität, während es sich gerade umgekehrt verhielt. Von seiner Abreise war bis jetzt nicht weiter die Rede gewesen; er schien ein Gespräch hierüber zu meiden.
Eines Tages jedoch, als er durch die unteren Räume des Hauses schritt, um daselbst nach den Bruchstücken einiger alten Papyrusrollen zu suchen, fielen seine Blicke auf zwei bis obenhin mit prächtigen Gewändern angefüllte Reisekisten. Er beachtete dieselben nicht weiter, sondern schritt, nachdem er die Rollen vergebens gesucht, in das Gemach seiner Mutter, sie in heiterem Tone fragend: ob sie vorhabe, zu verreisen. Asso ergriff die Gelegenheit, sich über den Nutzen, welchen das Reisen einem unerfahrenen Menschen bringen könne, zu verbreiten, schilderte in lebhaften Farben eine Fahrt auf dem Nil, malte die Pracht Thebens und ließ vor ihres Sohnes Augen den Palast des Königs erstehen. Ein junger Mann, der noch nie seine Heimat verlassen, sagte sie, sei wie ein Schwert, welches noch nie aus der Scheide gezogen wurde, beide seien in gewissem Sinne verächtlich. Da Menes, der wohl fühlen mochte, worauf seine Mutter es abgesehen hatte, einen hastigen Blick durchs Fenster warf, als empfände auch er den allen Jünglingen eigenen Drang, in die Ferne zu schweifen, schritt Asso energischer auf ihr Ziel los.
»Möchtest du reisen, möchtest du reisen?« frug sie, ihn erregt beobachtend.
Menes seufzte auf. Sollte er reisen? Er kam so schwer zu einem Entschluß. Seine Phantasie, durch die Beschreibungen der Mutter entzündet, schwelgte bereits in der Ferne. Er sah sich in der Wüste von brennendem Sand umwirbelt, er sah sich auf den Wellen des Nil, vorübergleitend an herrlichen Baudenkmalen; eine verzehrende Neugier, die Geheimnisse Meröes zu entschleiern, kam über ihn, die seltsame freudige Erregung der Reiselust füllte ihm die Brust. Vor dieser Reiselust mußte sogar die Liebe zurücktreten; war es doch so süß, in der Ferne an die Geliebte zu denken, zu wissen: wenn du wieder nach Hause kehrst, empfangen dich offene Arme. Asso wußte ihren errungenen Vorteil klug zu benutzen, und als nun Myrrah mit niedergeschlagenen Augen in das Gemach trat, bemächtigte sie sich derselben sogleich, küßte und streichelte ihre Wangen, kurz, gab auf alle Weise zu verstehen, in welch guten Händen das Mädchen
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