Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Eidechsen; Priester, Leopardenfelle um die Hüften, hohe Beamte in vollem Ornat, Papyrusrollen unterm Arm, schritten gravitätisch, aber schweigsam über die bunten Steinfliesen. Wachen standen regungslos, Beil oder Schwert im Arm, vor teppichverhüllten Türen.
»Die Königin verlangt ihr Backwerk« – »der Prinz sein Bad« – »die Sänfte soll bereitstehen« – »der Zug der Musikanten soll sich ordnen« – solche und ähnliche Befehle zischelten sich vorübereilende Hofschranzen in die Ohren. Menes sah diesem Treiben verwirrt zu; seine angeborene Bescheidenheit, um nicht zu sagen Schüchternheit, verstärkt durch die Heiligkeit des Ortes, verbot ihm zu fragen, wo er sich hinzuwenden habe; auch fürchtete er diese, wie es schien, mit Geschäften überladenen Diener in ihrem Berufe zu unterbrechen; er wußte nicht, daß ein Höfling ein geschäftiger Müßiggänger ist. Das Empfehlungsschreiben nebst der Vorladung zur Audienz fest unter dem Arm haltend, schritt er endlich auf eine Wache zu.
»Guter Freund, könnt Ihr mir nicht sagen,« frug er schüchtern, »wo ich den Audienzsaal des Königs zu suchen habe?«
Die Wache gab, einen strengen Blick auf ihn schleudernd, keine Antwort.
Er schritt beklommen weiter, eine Treppe hinauf, einen schmalen Gang hinab. Als er dort hinter einer Türe sprechen hörte, wollte er sich nähern, um anzuklopfen, jedoch ein hinter einem Vorhang hervorgeschlüpfter Sklave winkte mit beiden Händen ab. Auf sein verwundertes Befragen flüsterte ihm der Sklave zu, es dürfe diesen Gang kein Mensch betreten; hier befänden sich die Gemächer der Königstochter Asa-Termutis; diese studiere mit dem jungen Ebräer Mesu Moses. , dem sie einst das Leben gerettet und welchen sie beschütze, die heiligen Rollen. Menes frug nach dem Audienzsaal des Königs, worauf ihm der Sklave eine umständliche Beschreibung des Weges lieferte. Unser Freund gab sich vergeblich Mühe, die Weisung des Sklaven zu befolgen, nach einer halbstündigen Wanderung, die ihn durch ein Labyrinth von Gängen, Hallen und Sälen führte, mußte er sich das Geständnis machen, daß er sich gänzlich verirrt und daß er sich immer mehr verirren werde, wenn ihm nicht irgendein Gott einen, der Auskunft erteilen könne, in den Weg schicke. Dies Gewirr von Sälen verlängerte sich vor den entmutigten Blicken immer mehr; immer geheimnisvoller umschloß ihn die phantastisch bunte Dämmerung dieser Wohnungen, immer beängstigender wirbelten die Säle vor seinen eilenden Blicken, immer drohender rückten Decke und Wände auf ihn herein, immer wilder tanzten die grell gemalten Figuren ringsum. Endlich, er war gewiß durch drei- bis vierhundert Säle geeilt, zwang ihn die Müdigkeit, sich auf einer Bank niederzulassen. Ihm gegenüber war eine Szene gemalt, die das häusliche Glück der Ehe in lebhaften Farben schilderte. Es war ihm, als sei das Weib, welches dort ihren Gatten anlächelte, Myrrah. Dieser Anblick des liebenden Weibes, des zärtlichen Gatten verwischte ihm die Gegenwart vollständig; Audienz, Müdigkeit und Verirrtsein waren vergessen. Was mochte sie, seine Myrrah, jetzt in Memphis fühlen, welches Geschäft mochte sie in diesem Augenblick verrichten? Dachte sie an ihn? Ohne Zweifel! Leibhaftig stand sie vor ihm da; es war ihm, als hörte er ihre sanfte Stimme. Mit Wonne malte er sich jede ihrer Bewegungen aus, erinnerte sich an manchen ihrer tiefgefühlten Blicke, wiederholte sich leise, was sie ihm bei dieser oder jener Gelegenheit zugeflüstert. Manche Situationen traten mit solcher Lebhaftigkeit vor ihn hin, daß sie aufregend auf ihn zu wirken begannen. Er hatte ihr einige Tage vor seiner Abreise einen goldenen Ring zum Geschenk gemacht; als er diesen Reif an ihren zarten Finger schieben wollte, zeigte er sich zu enge; er schürfte ihr die Haut dabei und nahm in der Bestürzung darüber den blutenden Finger zwischen die Lippen, das Blut zu stillen. Sie hatte das nicht zugeben wollen. Jetzt erinnerte er sich dieser Szene so lebhaft, daß er unwillkürlich die Lippen wölbte und ein süßer Schwindel an seiner Stirne vorüberzog. Er sah sie erröten; die angenehme Verlegenheit, die ihn damals ergriff, erfaßte ihn jetzt wieder; er schwelgte in diesen Empfindungen, sie schlugen ihm über dem Haupte zusammen, er ging in diesen süßen Phantasien unter. Auch seine Mutter tauchte aus dieser Flut von Bildern vor ihm empor. Er pries sich glücklich, Myrrah in ihre Hände gegeben zu haben. So war sie doch vor Mangel
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