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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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geschützt, hatte ihr stilles Heim und reifte langsam für ihn heran, wie die Rose, die des Brechens harrt. Mit schauerndem Entzücken dachte er an die Stunde des Wiedersehens, jedoch fast mit Vorwurf rief er sich zu, wie er nur an Wiedersehen denken könne, da er kaum Abschied genommen. Viele Tage, viele Monate lagen noch zwischen dieser Stunde und der jetzigen. Ein unendliches Gefühl von Sehnsucht, von Heimweh beschlich ihn. Wie war er doch verlassen, verlassener wie sie. Sie durfte in der Heimat leben, hatte angenehme gute Menschen um sich; er war in der Fremde; Teilnahmlose umgaben ihn kaltherzig. Wer verstand ihn von allen diesen Tausenden! Glichen diese Menschen nicht lebendigen Mumien! Das also nannte man die Welt, dies Hasten und Jagen nach nichts, nach Genüssen, deren sich der Edle schämen muß? Die Götter werfen uns mittellos in diese Welt, sprach er zu sich selbst, und rufen uns zu: nun sieh, wie du dir hindurchhilfst. Selbst die Mittel, uns dieses zweifelhafte Geschenk, das Leben, zu erhalten, müssen wir uns mühsam erringen. Also, um nur überhaupt dies flüchtige Dasein uns zu bewahren, bedarf es schon qualvoller Anstrengung. Und ist dieses Dasein es wert, es sich durch endlose Kämpfe zu erhalten? Dies Dasein, besteht es doch bei Tausenden meist aus weiter nichts, als einem unklaren Traum mit wenig lichten Momenten? Ist dies Dasein der meisten nicht ein ewiger Kampf mit der Not, der der Kämpfer, und sei er der mutigste, endlich doch unterliegt? Und selbst dem besseren Teil der Menschheit dient diesem sein hellerer Überblick, seine tiefere Einsicht doch nur dazu, sich nach der kühlen Stille des Felsengrabes zu sehnen. Menes fühlte, daß ihm diese Reise mannigfache Eindrücke gegeben, daß sich sein Erkennen geschärft, seine Auffassung vertieft hatte; er sah mit anderen Augen in die Welt; auch mochte wohl die Trennung von der, die er liebte, seinen Gedanken höheren Flug verleihen, denn er fühlte, daß der Schmerz veredelt, indes die Freude verflacht.
    Eben versenkte sich seine Erinnerung in die Genüsse, die ihm diese Reise von Memphis nach Theben gewährt, er sah des Nil blühendes Ufer vor sich, an welchem reichbemalte Schiffe vorüberschwebten, er hörte das entfernte Rauschen der Palmenwälder, aus welchen rötliche oder blendendweiße Landhäuser schimmerten, eben tauchte das Bild der Wüste vor ihm auf, nach welcher er von seinem Schiffe aus einmal eine kleine Reise unternommen, als ihn plötzlich ein aus der Ferne kommendes Geräusch aus seinem Traume weckte. Was war das? Träumte er noch? Vernahm er so deutlich das Rauschen der Nilwellen? Nein, das Echo sandte ihm Musik; feierlich schwollen aus ziemlicher Entfernung melodische Töne an sein Ohr. Hastig sprang er empor, sich wieder seiner hilfsbedürftigen Lage erinnernd. Vergeude ich hier die Zeit mit nutzlosem Grübeln, rief er sich zu, aufmerksam nach der Richtung spähend, woher die Töne drangen.
    »Das ist Rettung,« sprach er dann, »dort muß ich Menschen antreffen.«
    Näher, immer näher kam er den Klängen; er hatte kaum drei Säle durchwandert, so befand er sich zwischen Säulen, die ihm den Durchblick auf ein schönes, großartiges Schauspiel, ein Morgenopfer, wie es ihm schien, des Königs gestattete. Mit starrer, plumper Erhabenheit saß der Gott Osiris auf seinem goldenen Throne, die Arme an den Leib gedrückt, die Hände auf den Knien, geradeaus blickend, von so dichten, blauen Weihrauchwolken umwogt, daß seine massigen Glieder wie aus einem Mantel hervorlugten. Vor ihm stand ein stattlicher, nicht mehr ganz junger Mann, dessen hohe, rotweiße Krone ihn sofort als den König kennzeichnete, wenn ihn nicht seine Würde, die angeborene Majestät seiner Bewegungen als solchen verraten hätte. Der König hob beide Arme zu dem Gotte empor; seine stolzen, freien Gesichtszüge zwang er zur Demut; allen Schmuck hatte er abgelegt; ein künstlicher Bart verlängerte das stark ausgeprägte, Herrscherwillen ausdrückende Kinn. Zu beiden Seiten des Bildes standen, mit erhabenen Mienen, Priester, silberne Gefäße voll Wein in den Händen oder die Weihrauchpfanne schüttelnd. Hinter diesen knieten Harfenspielerinnen, andere schwangen Handtrommeln im beweglich schönen Arm, während andere das Kem-kem schlugen und wieder andere einen Gesang zu der finster herabdräuenden Decke emporschickten. Der übrige Teil des halbdunklen Saales war mit betenden Kriegern erfüllt, die ihre Arme zum Zeichen der Demut vor sich niederhängen ließen.

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