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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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das Haus schleichen sollten. So war er wenigstens sicher, Myrrah jede Flucht unmöglich gemacht zu haben; im übrigen stand ihm immer noch als letztes Mittel die Gewalt zur Seite, für heute begnügte er sich damit, seiner Gönnerin Asso von der zähen Widerspenstigkeit Myrrahs Kunde zu geben, um den Rat dieser entschlossenen Frau einzuholen.
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    Am Abend des folgenden Tages besuchte er das Schatzhaus. Nichts Störendes war ihm bis dahin begegnet, so oft er den geheimnisvollen Ort betreten. Diesmal aber fiel ihm auf, daß mehrere Gegenstände von Wert, deren Platz er genau kannte, weggestellt waren, andere sogar gänzlich fehlten. Sollte ein zweiter Dieb, gleich ihm, diesen Schatz bestehlen? Das war nicht anzunehmen. Als er genauer zusah, gewahrte er zu seinem unaussprechlichen Schrecken, daß man kleine Stäbe vor den verschiedenen Kisten errichtet hatte, an welchen Täfelchen mit Nummern gebunden hingen. Sollten königliche Beamte den Schatz durchsucht und die Entwendung der Kostbarkeiten bemerkt haben? Es überlief ihn heiß bei dieser Vermutung! Er nahm von den Ringen und Edelsteinen immer bloß die unterste Lage weg, ordnete die oberste wieder so, wie sie gelegen und war behutsam darauf bedacht, auch nicht das kleinste Stäubchen von seiner Stelle zu rücken, das ihn hätte verraten können. Auf diese Weise dachte er sich geborgen.

    Drittes Kapitel
    In den Hallen des Königspalastes zu Theben, dessen Säulen auf einer steinernen Plattform parallel mit dem Nil aufgereiht stehen, schritt am frühen Morgen ein junger Mann träumerischen Angesichts auf und nieder. Er trug ein buntes Kopftuch, auch war sein Lendentuch reichverziert; sein übriger Körper blieb nackt, schlanke, glatte Glieder zeigend. Man sah ihm an, daß er nichts oder wenig zu tun hatte, denn die Hände auf dem Rücken, die Augen an der ihn umgebenden Pracht weidend, wandelte er von Zimmer zu Zimmer, von einer Säulenreihe in die andere. Und doch schien ihn zuweilen ein banges Gefühl zu überschleichen; manchmal blieb er stehen; dann fiel sein Kinn auf seine schön gewölbte Brust langsam herab, das Auge umflorte sich oder sah mit schmerzlichem Ausdruck ins Weite. Der Säulenwald, den er durchirrte, trug majestätisch die wuchtige Decke; ein gelblich violettes, schwermütiges Licht, welches die Phantasie eigentümlich aufregte, quoll gedämpft von oben zwischen den Kapitälen herab oder gab den Schatten der ferneren Hallen dunkelpurpurne Farben. Die Luft, die man einatmete, schien von tiefrosigem Hauch durchweht; ein feiner Duft ließ darauf schließen, daß man hier zuweilen kostbares Rauchwerk verbrannte. Endlos reihten sich die Säulen aneinander. Das ermüdete Auge berauschte sich bald an teppichbelegten Gemächern, von deren Decken schwere Vorhänge geheimnisvoll herabflossen, bald bebte es vor langgestreckten, endlosen Gängen zurück, die in größere Säle führten, die wieder in Hallen mündeten und so weiter, immer weiter, bis sich schließlich Hallen, Wände, Säulen und Türen im Grenzenlosen zu verlieren schienen. Unheimliche, erdrückende Pracht prangte allenthalben von den Wänden dieser riesigen Gemächer herab, in derem leeren Umkreis sich der Mensch so verlassen vorkam, als läge er einsam mitten im Meere. Man wagte kaum zu atmen. Alles hier schien Ehrfurcht zu begehren. Stille ringsum; keines Höflings schleichender Fuß war zu hören, keines Soldaten Waffengerassel, keiner Sklavin rauschendes Gewand. Menes (denn das war der junge Mann, der diese Zimmer durchirrte), Menes fuhr sich mit der Hand an die Stirne.
    »Wo bin ich da hingeraten?« murmelte er, welches Murmeln sogleich die Echos gespenstisch wachrief.
    Gleich am folgenden Tag nach seiner Ankunft in Theben hatte er durch den obersten Kämmerer, der seine Empfehlungsschreiben geprüft und ihn als Sohn seines verstorbenen Freundes wiedererkannte, die Erlaubnis erhalten, dem Könige sich vorzustellen. Dieser Morgen war dazu ausersehen. Er übernachtete im Hause des Kämmerers, der ihm einige Vorschriftsmaßregeln gab, und die Sonne hatte sich kaum erhoben, so stand Menes schon klopfenden Herzens vor dem hohen Portal des Gebäudes, in welchem der Sohn der Sonne über Leben und Tod seiner Untertanen entschied. Als er eintrat, kümmerte sich keine Seele um seine Person. In den sonnigen Höfen würfelten oder kämpften die Soldaten; die Treppen der Hallen hinauf schlüpften, ohne ihn zu beachten, geschäftige Diener mit Goldplatten in den Händen, lautlos wie

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