Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
will dich preisen!«
»Närrin, dich töten? Meine Schwester ist von hier weggereist,« entgegnete Isaak immer rauher.
»Weggereist? So habe ich niemand, der mir beisteht?« rief die Verlassene aus. »Weh mir! sie war in letzter Zeit gut gegen mich, deine Schwester. Wohin reiste sie?«
»Ziehe unser Gespräch nicht auf andere Gegenstände,« erwiderte der Jude hastig, »dies Mittel, das du auch gestern angewendet, habe ich jetzt durchschaut. Ich bin dein Gatte und will es nicht nur dem Namen nach sein.«
Noch zögerte das Mädchen mit ihrem ganzen Stolze, dem Verlangenden gegenüber zu treten, noch dachte sie sein ungestümes Herz durch Klagen zu rühren.
»Hab' Erbarmen, lieber Isaak,« bat sie, seine Hand ergreifend, »Gewalt hat dich mir zum Gatten gegeben, aber meine Liebe kann dir Gewalt nie und nimmer erringen – du kannst mich nie zu deiner Geliebten machen, höchstens zu deiner Sklavin, und ich hoffe, du bist zu edel, mich so tief zu erniedrigen. Wenn Menes zurückkehrt und mich so findet, wie er mich verlassen – o wie wird er dich belohnen, wie wird er dir danken. Nahe mir weiter nicht; laß mich deine Schwester sein, sei du mein Bruder; du sollst an mir eine aufopferungsvolle, unendlich dankbare Schwester finden, ein Wesen, das dich anbetet, deine Selbstüberwindung bewundert und dich wahrhaft liebt, – weil du entsagst! Wenn du mehr verlangst als ich geben will, muß ich dich hassen, aber zeigst du dich mir als großer Charakter, dann will ich die Deine sein – dem Geiste nach!«
Isaak sah nach diesen Worten schweigend zu Boden. Hätte seine Schwester neben ihm gestanden, so würde er, gewohnt den Winken der Scharfklugen zu gehorchen, abgelassen haben, diese Unschuldige zu verfolgen; er hätte sich seiner Rechte begeben; heute aber, da er sich als alleiniger Besitzer des Hauses fühlte, dämpfte nichts seine Begierden; die Bitten der Unglücklichen schienen sogar anfachend auf dieselben zu wirken. Sein innerer Kampf war bald entschieden. Mit einem tigerartigen Griff faßte er nach Myrrahs Arm; umschlang die sich Abwendende und war eben nahe daran, einen glühenden Kuß auf ihre Lippen zu pressen, als er einen kalten Gegenstand auf der Brust fühlte, der ihm einen Schrei entlockte und ihn zurücktaumeln ließ.
»Komm nur näher,« hörte er Myrrah ausrufen. Sie stand, tiefatmend, hoch aufgerichtet ihm gegenüber, die Augen von einem fast wilden Lichte erfüllt, ins Leere geheftet, einen Dolch in der zarten Faust. Nichts bewegte sich an ihr, als der Busen; die Locken hatten die Perlschnur zerrissen und hingen bis in ihren Nacken hinab; Isaak mochte, als er sie so stehen sah, nicht mehr an der Wahrheit jenes Dokumentes zweifeln, das Myrrah eine Königstochter sein ließ.
»Ich bin zu allem fähig,« stieß sie, mit Schmerz und Zorn ringend, hervor, »zu allem bin ich fähig, wenn du wagst, mich zu berühren. Ich war sanft, ich bin es nicht mehr, der Gewalt setze ich Gewalt gegenüber. Entweder du oder ich! Wenn ich dich nicht töten kann, so sollst du mich blutend zu deinen Füßen sehen! Wähle, wer von uns beiden aus dem Leben scheiden soll.«
Sie trat zurück, die Dolchspitze in ihren weichschwellenden Busen drückend. Ihr Gebieter starrte sie sprachlos an, – verbieten, sich zu töten, konnte er ihr nicht, hier war er machtlos.
»Ich gehöre Menes,« sagte sie dann mit leidenschaftlicher Entschlossenheit, »keinem sonst. Und kann er mich nicht umarmen, so soll keiner mich umarmen. Dieser Mund, diese Brust ist sein Eigentum, das ich ihm bewahren werde, jedem gegenüber. Dieser Leib ist sein Tempel, er ist sein Gott; eher zerstöre ich diesen Leib, als daß ich ihn entweihen ließe.«
Ihre gehobene Redeweise, der kühne Aufschwung, den ihr ganzes Wesen genommen, übten eine so niederschlagende Wirkung auf Isaak aus, daß er, einen scheuen Blick um sich werfend, das Dach sogleich verließ. Wohl mochte er seiner feigen Natur zürnen, aber was hätte er in diesem Augenblick anderes tun sollen, als sich fügen? Ihren Tod wollte er um keinen Preis herbeiführen, und das fühlte er, er hätte ihn herbeigeführt, wenn er auf seinem Wunsch beharrt; ihre Drohung bestand nicht in leeren Worten. Hätte er, nachdem er gegangen, die Unglückliche zusammensinken sehen, hätte er ihre unterdrückten mutlosen Seufzer vernehmen können, wohl wäre ihm seine verlorene Entschlossenheit wiedergekehrt. So aber verbiß er seinen Groll und gab einstweilen den Befehl, daß mehrere seiner Sklaven Tag und Nacht um
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