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Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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letzte Ruhe vorzubereiten. Allmählich erblaßte die Morgenglut; die Farben wurden schärfer, die Gestalten deutlicher; die Sonne übergoß Fluß und Stadt mit liebevoller Wärme.
    »Wie eigen,« sagte die Prinzessin, »an einem so lebenerweckenden Morgen haben wir nichts Besseres zu tun, als unser Grab aufzusuchen. Und doch wieder natürlich. Wir sollen auch im Taumel der Freude nicht vergessen, daß wir nur mit Erlaubnis des Todes fröhlich sind, denn hält er uns nicht stets am Gängelband? Und sind wir nicht Marionetten, die er tanzen läßt?«
    »Gewiß,« sagte Menes, versunken in den Anblick der herüberdräuenden Totenstadt. »Es ist gut, den Ort aufzusuchen, auszuarbeiten, schön zu bilden, an dem wir uns am längsten aufhalten. Die Wohnung des Lebenden gleicht einer schlichten Herberge, die er nach kurzer Rast verläßt, die Wohnung des Toten ist sein Reiseziel, dort soll er sich's behaglich machen.«
    Die Prinzessin hing an des Sprechenden Lippen. Als er geendet, schwieg sie noch einige Zeit, dann sagte sie:
    »Warum lieben wir aber dieses Leben, das uns nicht liebt, sondern uns unaufhörlich quält? Ist das Leben nicht wie eine Geliebte, die uns neckt, erzürnt, beleidigt, ja, wehe tut, und die wir trotzdem nicht verlassen mögen – weil – weil sie vielleicht doch so schön ist?«
    Menes dachte an Myrrah; ein Rot der Erregung stieg nach seiner Stirn, das die Prinzessin bemerkte, vielleicht aber auf sich bezog. Ängstlich schielte sie nach ihm hin über, und als der Jüngling sich niederbog, um eine im Wasser schwimmende Blume zu haschen, bat sie mit schmelzender Stimme, er möge ihr diese Blume geben. Er tat es; sie dankte ihm mit einem Blick, dem Menes absichtlich auswich. Dies Ausweichen empfand Asa-Termutis; sie lehnte sich zurück und schwieg, bis das Boot am Ufer anhielt, wo ausgestiegen wurde. Von hier aus zog sich der Weg südlich nach einem kleinen Tal, welches, als man es erreicht hatte, den Anblick auf ein tief in das Felsgebirge führendes Tor bot. An diesem Tor von imponierender Höhe arbeitete man noch; die Rinnen des gewaltigen Verschlusses wurden eben eingemeißelt; hohe Gerüste führten hinauf. Sogleich bei dem Erscheinen der Prinzessin bot der Baumeister unterwürfig seine Begleitung durch die Räume an, welche huldvoll angenommen wurde. Einige Arbeiter mußten voranleuchten, auch Menes ergriff eine Fackel, um bequemer seinen eigenen Weg gehen zu können, wenn ihm der der anderen nicht zusagte.
    »Also hier wird dieser Leib, einst zur Mumie verwelkt, beigesetzt?« sagte die Prinzessin mit einem Anflug von trübem Lächeln, in den finsteren Schacht hineinblickend. »Kühl und still ist es hier unten, mein Schlaf wird nicht leicht gestört werden. Hoffentlich ist es den Toten unmöglich, sich einen Schnupfen zuzuziehen, sonst fürchte ich, ich werde ihn tausend Jahre lang nicht mehr los.«
    Man trat in den dunklen Schlund ein, der die kleine Versammlung zu verschlingen und nie mehr herzugeben drohte. Der Baumeister beschrieb kunstverständig den Bau der Kammern, Gänge und Säle, darauf hinweisend, die Gemälde seien die besten, die er bis jetzt gesehen, doch sollten die Fackelträger des Rauches wegen nicht zu nahe an die Wände herantreten, denn die Farben seien noch feucht. Menes' Liebe zur Kunst erwachte stürmisch; er vergaß alles um sich her, ganz in den Anblick der schimmernden Bilder vertieft, die im beweglichen Glanz der Fackeln zu tanzen schienen. Der ganze Reichtum des Königshauses war an den Wänden wiedergegeben; Pferde, Wagen, Sklaven, Krieger, Herden, Barken, Fischteiche drängten sich in buntem Gewimmel. Im zweiten Saal, den sie betraten, fanden sie den Maler auf einem Gerüst stehend, die letzte Hand an den Kopf eines Gottes legend. Die Prinzessin grüßte ihn mit einer an Ehrerbietung grenzenden Freundlichkeit.
    »Ein stolzes Gefühl muß dich erfüllen, Meister,« redete sie ihn an, als er vom Gerüste herabkam, »da das Werk deiner Hände der Nachwelt Kunde geben wird von unserem Leben. Wie deutlich, wie rasch, wie leicht verständlich ist doch ein Gemälde, während die mühsam aufbewahrten Worte stets nur unvollkommen beschreiben können.«
    »Diese Gemälde werden dauern,« sagte der Maler stolz, sich über die hohe Stirne streichend, »dreihundert Zimmer gab mir deine Hoheit zu bemalen, viele Tausend Gestalten schuf ich mit der Kraft meines Pinsels und fast darf ich mich einen kleinen Gott nennen, denn ich schaffe wie er.«
    »Ihr seid zu beneiden, Maler,«

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