Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
Mißlichkeit ihrer Lage, das Beängstigende schien ihr plötzlich Freude zu bereiten.
»O, ich wollte,« sagte sie mit unheimlichem Humor, »man fände uns nicht mehr, ich wollte, sie vergäßen uns; hier ist es kühl und still, alles ladet zur hingebenden Ruhe ein; hier möchte ich schlummern in den Armen eines werten Freundes.«
Die letzten Worte erregten in Menes ein peinliches Gefühl. Sie schien dies nicht zu beachten, sondern legte, eigentümlich lächelnd, ihre Hand auf seinen Arm.
»Wie denkst du dir das Sterben hier unten?« frug sie dann träumerisch heiter.
»Durchaus nicht behaglich,« sagte Menes, »die finstere Todesstunde wird durch den Trost der Freunde, das Licht der Sonne wenigstens etwas erhellt; hier unten im Angesicht dieser erbarmungslosen Felsen, dieser tückischen Nacht denke ich mir das Sterben geradezu furchtbar.«
Ein Schauer schüttelte ihn, als er sich in dem weiten Gewölbe umsah, aus dem ihm Finsternis wie eine augenlose Augenhöhle entgegenstarrte.
»Hier unten,« setzte er hinzu, »würde mich Wahnsinn befallen, wenn ich ohne Fackel in dieser undurchdringlichen Nacht einherwandeln sollte. Bei dem bloßen Gedanken daran überlaufen mich Todesschauer. Nein! Nein! rasch fort von hier, mir geht der Atem aus, auf meiner Brust liegt's kalt.«
»Mir ist es anders zumut,« flüsterte die Prinzessin tief aufatmend, »ich verstehe dich nicht. Ich wollte, deine Fackel erlöschte, ich wollte, diese Mauern rückten zusammen, immer näher, immer näher, bis uns ein Raum blieb, so klein wie ein Sarg, und dann,« sie unterbrach sich, ihr Blick starrte irr, glanzlos ins Dunkel, ihre bläulichen Lippen waren halb geöffnet, als wollten sie die Finsternis schlürfen.
»Hohe Gebieterin, laß uns auf Rettung sinnen,« war seine beklommene Antwort. »Mir macht es weniger Vergnügen wie dir, hier unten dem Leben zu entsagen. Doch halt! – mir fällt ein, gab dir nicht der Baumeister den Plan des Grabes? Sieh nach, ich erinnere mich, daß du ihn in den Falten deines Gewandes verbargst.«
»Ei! wie du lebenslustig bist,« entgegnete sie mit einem Anflug von bitterer Verachtung, »sehnst du dich danach, das Licht der Sonne wieder zu schauen? Ich – ich hasse die Sonne. Die Welt ist mir verdorben wie stinkendes Nilwasser. Was gibt mir das Leben? Essen, Schlafen, Langeweile. Ich will nicht mehr an die Oberwelt gelangen, auch du solltest so vernünftig sein! Was hältst du davon, wenn wir – sonderbarer Einfall – nicht wahr? wenn wir einfach hier blieben? Es ist droben so hell und heiß.«
»Wie, Prinzessin?« frug er erstaunt, »was redest du? – ich flehe – suche nach dem Plan?«
»Dem Plan?«
»Unsere Lage ist gefährlich, er allein kann uns retten.«
»Ach so,« lächelte sie müde, »du willst leben. Verzeihe, ich dachte, du seist so klug wie ich. Nun, wo finde ich denn den Plan? – Liebst du wirklich das Leben so sehr, Menes?«
»Ich liebe es nicht,« sagte er entschieden, »aber ich möchte es nicht tatenlos verlassen.«
»Du hast recht! Du bist ein Mann,« entgegnete sie träumerisch, »ich aber bin ein Weib! Und nicht wahr, mein Freund, du fühlst es auch – es ist eine Art Unglück, ein Weib zu sein –! Ich wollte – doch genug – hier, nimm den Plan.«
Zögernd, langsam, wie im Traum gab sie ihm den Plan, ihm die Fackel abnehmend, damit er unbehindert sei. Er breitete die Rolle aus. Nach einigen Augenblicken hatte er sich orientiert. Eben wollte er sie wieder zusammenlegen, als der Schein der Fackel hastig flackernd über die Rolle huschte. Er sah erschrocken auf. Die Prinzessin hielt die Fackel in Händen, schwenkte sie seltsam, neigte sie bald zu Boden, drückte sie an die Mauer und führte diese sonderbaren Bewegungen mit einer Art Geistesabwesenheit aus, die sich durch ein dämonisches Lächeln auf ihrem erhitzten Gesicht erkennen ließ.
»Was willst du beginnen?« rief Menes verwundert, nachdem er eine Weile diesem auffallenden Spiele zugesehen, »die Fackel wird erlöschen.«
Sie hörte ihn nicht; der Ausdruck ihres Auges ward wie der einer Wahnsinnigen, ihre Lippen murmelten unverständliche Laute, ihr Körper begann zu beben. Noch einmal wiederholte Menes seine Aufforderung, ihm die Fackel zu geben; sie hörte ihn immer noch nicht, sie schien ganz in ihre düsteren Phantasien versunken. Nun hob sie die Fackel hoch empor. Menes, die Gefahr erkennend, sprang nach der Fackel, aber ehe er sie ergreifen konnte, lag sie, vom Arm der Prinzessin heftig geschleudert, am
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