Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883

Titel: Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
Vom Netzwerk:
sprach Menes ernst. »Leben zaubert Ihr dahin, wo der Tod wohnt. Die stummen Wände zwingt Ihr zum Reden und ein Bild des Menschendaseins wißt Ihr bedeutungsvoll an unserem Auge vorüberzuführen, von der Geburt bis zum Grab.«
    »Feiert mich nicht zu hoch, junger Mann,« entgegnete leuchtenden Auges der Greis, »seht dort die Buchstaben am Gesimse – es ist ein Hymnus auf die Sonne – im Wort ruht eine größere Macht als in der Farbe. Das Wort vermag gewaltiger das Gemüt aufzuregen als die Gestalt; in wenig Worten könnt Ihr im Flug des Augenblicks mehr Bilder an mir vorüberziehen lassen, als ich in zwanzig Jahren kaum zu malen imstande wäre. Auch steht hier ein Mann, der dasselbe Lob verdient wie ich, der Erbauer dieses unterweltlichen Palastes.«
    Nachdem der Architekt bescheiden das Lob abgelehnt, das ihm aus dem Munde der Prinzessin wurde, ging man weiter, immer tiefer in des Felsens Eingeweide.
    »Mein Grab gefällt mir,« sagte Asa-Termutis mit düsterer Zufriedenheit zu Menes; »mir ist, als schwebe ich, ein Geist, der dem Licht entsagte, durch diesen meinen ewigen Aufenthaltsort. Sieh! diese reichen Säle vom düsteren Fackelglanz unheimlich beleuchtet, wie sie sich schweigend ineinander fügen, wie sie sich mit stummer Hoheit auftun vor uns und mit ihrer öden Großartigkeit uns beängstigen; kann der Tod pomphafter auftreten? Sollte man nicht glauben, die kolossalen Säulenreihen seien sein Triumphzug? Ein Gefühl von banger Wonne, ein süßes Grauen beschleicht mich, wenn ich mich in meinen zukünftigen Zustand hineinträume.«
    »In diesen Sälen ruhen, abgeschieden von allem Lebendigen, die Einsamkeit und die Nacht zu Spielgefährten haben, allein mit diesen bunten Figuren, selbst nur noch eine bemalte Figur, ein Nichts, das einst Etwas war; ha! ha!« lachte sie dann auf, daß die Echos seltsam nachhallten; »kannst du dir vorstellen, wie ich als Mumie aussehen werde, Menes?«
    Die beiden schritten, in Gedanken verloren, weiter, nicht auf ihren dunkeln Pfad achtend. Allmählich begann die Phantasie der Prinzessin unter dem Einfluß dieser erhabenen schweigenden Nacht zu schwärmen. Das Aufregende, Bedrückende, das uns befällt, wenn wir uns tief unter der Erde wissen, bemächtigte sich ihres leicht entzündbaren Gemütes. Sie wollte ernst sein und lachte, sie wollte lachen und dies Gelächter erstarrte zu Ernst.
    »Wenn ich diese Glieder betrachte,« fuhr sie fort, »diese Glieder noch warm und lebensfrisch, wird mir seltsam zumut. Kannst du dir sie denken, eingewickelt in graue Streifen? Eine braune, vergilbte Mumie! Seltsam, daß dieselben Ohren, die jetzt noch begierig die Töne einsaugen, einst taub sein sollen, daß diese Augen, die so weit in die Ferne dringen, einst nichts mehr sehen, und gingen hundert Sonnen vor ihnen auf! Oh! der Tod ist ein großes Geheimnis.«
    »Deshalb dienen wir ihm auch geheimnisvoll,« erwiderte Menes, angesteckt von der wilden Laune der Prinzessin. »Es ist erhaben, daß ein einziger Mensch, dem ein zwei Schritt großer Raum genügte, der allen Bedürfnissen entsagt, alle diese Säle allein bewohnen darf. Es ist erhaben, daß er der Herr dieser Einsamkeit ist und daß man ihn ehrt, fast mehr als einen Lebenden, denn die Toten verdienen unsere Ehrfurcht.«
    »Über der Erde,« fuhr die Prinzessin in ihrer sich steigernden Fiebererregung fort, »über der Erde, welcher Tumult. Kriegerische Pracht zieht einher, von Fanfaren umtönt; der König besteigt den Thron, die Tribute unterworfener Völker stolz empfangend; der Priester beweihraucht seinen Gott, der Ehrgeizige ersinnt Ränke, den Goldgierigen lassen seine Reichtümer nicht ruhen, dem Liebenden hängt am Besitz eines einzigen Wesens die Welt – das Getreibe ist unendlich, der Lärm betäubend – und unter der Erde, welche Stille, welcher Gegensatz. Wie nichtig, wie des Hohnes würdig erscheint mir, da ich in diesen Räumen wandele, alles, wonach sich der Mensch sehnt, wonach er mit soviel Herzklopfen trachtet; wie deutlich sprechen diese Wände den Gedanken aus: wir sind tanzende Schatten.«
    Menes, dessen Phantasie an der Finsternis, der öden Stille des Ortes sich nun ebenfalls zu entzünden begann, schritt immer hastiger weiter. Das Blut stieg ihm zum Gehirn und trotz der Kälte des Raumes überrieselte Schweiß seine Schläfe, sein Atem ging rascher.
    »Ja,« sagte er, »manchmal kommt mir unser Wachen vor wie ein nur sehr leises Träumen, so daß man sagen könnte, wir schliefen, anstatt zu leben,

Weitere Kostenlose Bücher