Walloth, Wilhelm: Das Schatzhaus des Königs. 1883
mehr völlig die frühere Kraft wiedergeben konnte) ein kleines Landgut, um seinen Untertanen zu zeigen, wie sehr er alle diejenigen zu belohnen wisse, die sich für ihn aufopferten. Vermehrt wurde der Verdacht, daß dieser Vergiftungsversuch von der Königin ausgegangen, dadurch, daß Menes einst, als er im Garten des Palastes gegen Abend lustwandelte, Urmaa-Nofru-râ begegnete, die sich sehr verwirrt aus einem Gebüsche stahl, indem sie eine Handvoll Blumen hastig hinter sich ins Gras warf, sobald Menes auf sie zuschritt. Befragt, was sie suche, erwiderte sie lächelnd, sie hätte ihrem Gemahl einen Strauß binden wollen. Sodann sprang sie eifrig von dem, wie es schien, für sie peinlichen Thema ab, erkundigte sich nach dem Befinden ihres Gemahls und gab zu verstehen, daß er sie nicht mehr liebe, daß er ihren Zärtlichkeiten ausweiche, was sie äußerst unglücklich mache. Ramses sei leichtfertig; schon als er in Memphis sich aufgehalten, hätte sie mit Entrüstung bemerkt, daß ihm eine jüdische Tänzerin wohlgefallen habe, welche ihm zur Nachtzeit heimlicherweise in den Palast gebracht wurde; sie wolle jedoch über diesen Gegenstand als züchtige Ehefrau schweigen; miteinander gebetet hätten die beiden jedoch schwerlich. Sie warf sich nun in die Brust, tadelte sehr strenge den Lebenswandel ihres Gemahls, der die Götter sicherlich erzürnen müsse, ließ durchblicken, daß sie mit den Göttern in viel innigerem Bunde lebe und daß sie alle Tage für das Seelenheil ihres Gatten bete, denn er wandle auf dem Pfade der Verdammnis. Sodann gelang es ihr, einige Tränen zu vergießen, zu wünschen, Ramses möge bereuen, und darauf mit viel Geschick, das auf ein tiefes Studium schließen ließ, in Ohnmacht zu fallen. Während sie ihre herbeigeeilten Dienerinnen hinwegführten, konnte man noch lange ihre Klagen das Echo des Palastes wachrufen hören. Die Dienerinnen liefen ab und zu, indem sie die Götter mit Fragen bestürmten, warum die gute Herrin so schwer zu leiden habe.
Unserem Freunde füllte Abscheu das Herz; ein böses Weib, dachte er, ist gefährlicher als ein feindlicher Mann, ebenso wie die Ureusschlange gefährlicher ist als der Löwe. Er berichtete dem König diese Szene mit so deutlichem Widerwillen gegen Urmaa, daß sein Gebieter ihn nur um so wärmer an sein Herz drückte, ihm für die Sorgsamkeit, mit der er über ihm wachte, dankend. Zugleich aber verfluchte Ramses den Tag, an welchem er, um den besiegten König der Syrer zu versöhnen, dessen Tochter zum Weibe genommen.
Doch noch ein anderes war es außer diesen Palastunruhen, was das Gemüt unseres Freundes in Spannung versetzte und ihn trotz der königlichen Gunst wünschen ließ, er könne diesem Ort der traurigen Pracht, des vergoldeten Elends und der Heuchelei baldmöglichst den Rücken kehren. Es kam ihm nämlich nach einiger Zeit vor, als ob Asa-Termutis ihm eine ungewöhnliche Teilnahme entgegenbringe, eine Teilnahme, die ihn oft beunruhigte; vergeblich suchte er sich einzureden, er täusche sich, vergeblich hielt er sich vor, seine Phantasie spiele ihm einen jener Streiche, wie sie ihren Schoßkindern oft spielt; die Königstochter sei vielleicht rasch erregbar, ungezwungen, und diese Temperamentseigenschaften halte er für heimliche Zuneigung. Sie treibt ihr Spiel mit dir, rief er sich zu, du dienst ihren königlichen Launen zum Balle. Wie sollte sie, die stolze Prinzessin, auf den unerhörten Gedanken verfallen, sich ihm, den eine weite Kluft von ihr trennte, mit anderen als rein freundlichen Empfindungen zu nähern? Er beobachtete sie schärfer, er bemerkte, wie sie, sobald er mit ihr sprach, errötete, sich verwirrte. Er überraschte sie einmal im Tempel des Amun, wo sie mit dem Ausdruck tiefsten Seelenleides auf den edeln Zügen vor dem Gotte lag. Als sie ihn bemerkte, konnte er sehen, wie sie mit Blitzesschnelle ihren Mienen den Anschein von Gleichgültigkeit zu geben suchte, was ihr jedoch sehr schlecht gelang. Manchmal war sie weich, sprach in hingebendem Tone mit ihm, dann wieder kehrte sie augenblicklich, ohne jeden vermittelnden Übergang, die Königstochter heraus, antwortete, als habe sie ihrer Würde vergeben oder ließ ihn sogar ihre Unzufriedenheit durchblicken. Besonders wenn er mit ihr bei Ramses speiste, benahm sie sich oft so stolz, so kühl, daß der König ihr einmal diese Härte vorwerfen mußte. Gleich darauf war sie so sehr umgewandelt, daß Ramses Ursache hatte, lächelnd ihre naive Vertraulichkeit zu zügeln.
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