Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
Vom Netzwerk:
entschiedener Drang, das Schöne darzustellen. Wir sehen das am niedersten Gras, an der Zeichnung und Farbengebung der Schmetterlinge, der Käfer, bis es im menschlichen Körper, schließlich im Geist, siegreich seine Fahne aufpflanzt. Der schöne Geist ist der unmittelbare Ausfluß aus der großen Geistessonne. Das wahrhaft Schöne ist auch das wahrhaft Gute. Ein vollkommen schöner Mensch empfindet seine Schönheit gleichsam als innere Melodie; er kann daher nichts Böses tun; diese innere Melodie ruft ihm immer zu, daß er ein Abdruck Gottes ist.«
    »Aber,« ließ sie schüchtern einfließen, »es kann doch nicht Jeder schön sein?«
    »Es könnte Jeder schön sein,« sagte er. »Ursprünglich war jedes Wesen schön. Erst durch einen Abfall von der Natur wurden wir häßlich und damit sündhaft. Meine Religion will die Menschen wieder schön machen, auf daß sie gut werden.«
    Er hatte sich ganz in Begeisterung hineingeredet. Als Beide das Wohnhaus erreicht hatten, blieb Natalie am Thor einen Augenblick stehen.
    »Eine neue Religion?« sagte sie schwärmerisch, »ja! arbeiten Sie nur auf dies Ziel los. Wie gern möcht ich Ihnen dabei helfen!«
    »Das können Sie,« meinte er. »Im Stillen können Sie meine erste Anhängerin sein.«
    Sie nickte lächelnd. »Ich werde Ihnen Anhängerinnen werben,« fuhr sie heiter fort. »Wer weiß, vielleicht kommt doch einmal eine Zeit, in der ich an Ihrer Seite wirken kann . . .«
    Sie schritten durch die stets windige Thorhalle in den Hof, die Treppe empor. Die Frau Rechtsanwalt wartete schon auf ihre Tochter. Als sie das Mädchen in Begleitung Karls die Stiege heraufkommen sah, zog sie sich wieder von der Glastüre zurück. Sie lächelte. –
    Als Karl gegangen war, schritt Emma mit erregten Schritten im Zimmer auf und ab. Dann eilte sie in die kleine Küche, wo Luise eben die Teller in warmem Wasser abspülte.
    »Hör mal, Freundchen,« sagte sie aufgebracht, >dagegen reagier ich, das laß ich mir nicht so ohne weiteres gefallen.«
    Luise stellte gerade einen nassen Teller auf das Spülbrett. »Was?« fragte sie, »das Verbot?«
    »Ja,« gab Emma zurück, »das ist eine Impertinenz. Dieser Schulmeister kennt mich ja gar nicht, hat seine Weisheit aus einfältigem Stadtklatsch gezogen. Es ist die alte Geschichte, – die Leute trauen stets ihrem eigenen Urteil weniger, als dem anderer Leute.«
    »Freilich,« sagte Luise, eine Schüssel abtrocknend, »und wie du selbst einmal schriebst: Der Spürsinn der Dummen in Bezug auf die Schwächen ihrer Mitmenschen, grenzt ans Geniale.«
    »Nun also,« fuhr Emma vor Erregung zitternd fort, »ich werde alle Hebel in Bewegung setzen, diesen Schultyrannen persönlich kennen zu lernen . . .«
    »Das wird nicht schwer sein,« meinte die Freundin.
    »Desto besser. Und dann . . . werd ich mich rächen.«
    »Rächen?« Luise hielt im Abtrocknen der Schüssel inne und sah ungläubig in das erglühende Gesicht der Freundin.
    »Ja . . .«
    »Ist das nur eine von deinen berühmten Mystifikationen?« fragte Luise lächelnd.
    »Nein, es ist mein völliger Ernst.«
    »Also – so rachsüchtig ist meine Sappho? ja, wie willst du dich denn rächen?«
    »Das weiß ich noch nicht. – Aber ich werds!«
    Luise stellte die Schüssel hin und umarmte lachend die Freundin.
    »Ach, Sapphochen,« scherzte sie, »große Dichterin, du bist reizend, wenn du so in Wut gerätst!«
    Emma entzog sich ihr schmollend.
    »Nein, mir ists ernst,« wies sie die Andere zurecht. »In welchem Ruf mag ich hier stehen!«
    »Also rächen willst du dich?« wiederholte Luise.
    »Ich werde seine Schwächen auskundschaften, werde ihn auf irgend eine Art blamieren!«
    »Ich sehe dich schon in der Rolle der pathetischen Rächerin,« frohlockte die sanftere Luise, »so etwa als Elektra! Übrigens, du hast dem armen Karl den Kopf gründlich verdreht, – hast du das nicht bemerkt?«
    »Kinderei,« meinte die Schriftstellerin.
    »Na na,« lächelte die Klavierlehrerin, »ob das nur so ne Kinderei ist? Der Mensch scheint mir von intensiven Leidenschaften durchwühlt zu werden.«
    »Nun,« gab ihr die Freundin sinnend recht, »ich werde kaltes Wasser ins Feuer gießen. Aber meine Rache an seinem Vater geb ich nicht auf. Fühlst du dich denn nicht mit mir beleidigt?«
    Die Klavierlehrerin ward ernst.
    »Du,« fuhr die Dichterin fort, »mußt noch mehr auf deinen Ruf sehen als ich. Denk doch, wenn du Stunden verlörst!«
    Sie konnte aus zwei Gründen nicht weiter reden; Peter, der Kater,

Weitere Kostenlose Bücher