Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909
Grüner? Um dir dies Lachen zu erhalten, hättest du ein noch viel größeres Verbrechen auf dich laden können.
Als nun lustiges Klavierspiel in sein Ohr schallte, lenkten sich seine Gedanken auf den millionenreichen Rudolf Weihals, dem er einst als Anwalt aus einer peinlichen ›Weibergeschichte‹ herausgeholfen. Der hätte so leicht helfen können! was waren dem mehrfachen Millionär die 20,000 Mark? Das war noch ein Rettungsanker! Vielleicht . . . wenn er ihn um das Geld bat? Den Versuch wollte er auf jeden Fall wagen; er konnte ihm ja die Summen verzinsen!
Sofort erhob sich Meyer, vertauschte den mausgrauen Hausrock mit einem schwarzen Gehrock und eilte in den Salon. Er hatte seine jovialste Miene aufgesetzt, ein burschikoses Lächeln umspielte seine behaglichen Lippen; die Art wie er den langjährigen Hausfreund empfing, hatte etwas herzgewinnend Weltmännisches. Er war jetzt wieder der alte Burschenschafter, der seine alte Schmißnarbe, die ihm den Mund scheinbar verlängerte, mit Stolz zur Schau trug. Kein Mensch hätte seinen freundlichen Augen die Sorgen angesehen, die in seiner Brust schliefen. Rund und frisch leuchteten seine Wangen und das sauber ausrasierte Kinn aus dem Bart, über der schwarzen Deckkrawatte. Ja, er hatte seine Sorgen auch wirklich vergessen! er verstand es meisterhaft das Leben von der besten Seite zu fassen.
Weihals, ein leidenschaftlicher Musiknarr, hatte zu Ehren der jetzt genesenen Frau Rechtsanwalt einen Genesungsmarsch komponiert. Er nannte es nämlich komponieren, wenn er seinem talentvollen Musiklehrer eine schiefe Melodie vorklimperte, die dieser dann aufschreiben und bearbeiten mußte. Auf diese Weise hatte der gänzlich Ungebildete schon ein Ballet komponiert, das auch am königlichen Hoftheater – natürlich nur durch Vermittlung einflußreicher Personen – aufgeführt worden war. Er malte auch ein wenig, – Otto Grüner half ihm dabei.
Von Gestalt sah der Kommerzienrat noch um vieles »verfressener« aus als der dicke, kleine Anwalt. Er war eine wahre Riesengestalt mit plumpen, bartlosen, materiellen Zügen. Sein Stiernacken war in zwei fettwulstige Abteilungen geteilt. In seiner Kleidung war er sehr nachlässig. Oft erregte er das stille Lachen seiner Gäste dadurch, daß Knöpfe, die geschlossen sein sollten, an seinem Anzug offen standen. Außer dem Essen hatte er nur noch Sinn für die »Liebe«, Musik und Geld. Richard Wagner und »Papiercher« – um diese beiden Pole drehte sich sein Gespräch. Im Übrigen konnte man ihn fast einen Trottel nennen, den eine brutale Sinnlichkeit von Weib zu Weib trieb. Gegen das männliche Geschlecht war er oft im höchsten Grad beleidigend, pochte auf sein Geld und teilte im Wirtshaus häufig Hiebe aus, die ihm dann Beleidigungsprozesse eintrugen. Einmal konnte ihn sein treuer Meyer nicht mehr vor einer kleinen Gefängnisstrafe retten, als er im angetrunkenen Zustand eine abscheuliche Wirtshausszene verursacht hatte; der Richter nahm an, daß für einen so reichen Mann eine Geldstrafe keine Strafe sei. Und doch war der Millionär im Grunde, wenn man ihn zu behandeln wußte, ein gutmütiger, ja hilfsbereiter Kerl; nur seine Erziehung war vernachlässigt; seine ererbten Millionen hatten ihn verdorben. In letzter Zeit widmete er sich auch dem Automobilsport, um sich gegen herannahende Herzverfettung und Gicht etwas Bewegung zu machen.
Jetzt sah er mit wohlwollendem Phlegma auf den kleinen Anwalt, dessen Schmeicheleien und Kriechereien er sich mit bäuerisch vornehm-nachlässigem Schmunzeln gefallen ließ.
»Aber Ihr Genesungsmarsch ist reizend, Herr Kommerzienrat! Sie haben sich selbst übertroffen! wie soll ich Ihnen danken?« Emilie verfiel bei diesen Worten wieder in ihren eigentümlichen herzlichen Lachschüttelkrampf, der ihr so reizend stand. Nun hätte der fette Millionenbauer leicht ein paar liebenswürdige Schmeicheleien der Schönheit huldigend zu Füßen legen können; er brachte aber, da er über keinen Funken Esprit verfügte, nur inhaltslose Phrasen heraus.
»Ach, Frau Rechtsanwalt,« stotterte er in seinem rohen Dialekt, vor Wonne grinsend, »Sie machen mich ja glücklich durch so ä Lob. Wirklich? gefällt Ihne das bische Klavier-Getrommel?«
»Entzückend!« schmeichelte sie, über die Notenblätter streichend.
»Ja, ja,« flocht der Anwalt zuvorkommend ein; »da sieht mans wieder. Die Muse ist ein verwöhntes Frauenzimmerchen! Die Muse macht sichs stets da am liebsten behaglich, wo Muße und Gold zu
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