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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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wir umgestaltet.«
    »Und die Tugenden und Laster?« fragte sie gespannt.
    »Sind auch nur die Träume von Traumbildern.«
    »O!« flüsterte sie mit glühenden Blicken, »wenn ich reich wäre, ich würde Ihnen behülflich sein, Ihre neue Religion in Wirklichkeit umzusetzen.«
    »Das wäre herrlich!« meinte er, »wir würden eine Gemeinde ›Die Gottsucher‹ gründen. Eine neue Menschheit sollte daraus hervorgehen!«
    Indessen wurde der Tee eingeschenkt. Man nahm Platz um den runden Tisch, dessen Tassen, Gläser, Bestecke, wie Eiskrystalle im Glanz der elektrischen Lampen funkelten.
    Karl geriet jedesmal, sobald er den Kommerzienrat anblickte, in seine mephistophelische Laune.
    Otto lauschte schmunzelnd auf Karls versteckte Sarkasmen, besann sich dabei krampfhaft, wie er dem Anwalt heute die Vermögensangelegenheit beibringen wollte und rührte, durch diesen komplizierten Seelenzustand ganz in Anspruch genommen, nervös erregt in seiner Teetasse beständig herum. Mechanisch nahm er die Zuckerdose und warf in seiner Nervenaufregung ganz allmählich soviel Zuckerstückchen in die Tasse, daß bald ein weißer Zuckerberg aus der bräunlichen Flüssigkeit emporragte. Erschrocken trank er die Tasse aus, goß dann aber gleich wieder neuen Tee zu, damit man den Zuckerberg nicht bemerken sollte, der nur sehr langsam zerschmolz. Ebenfalls in Folge seiner innerlichen Benommenheit aß er fortwährend ein belegtes Brötchen nach dem andern, so daß ihm sein Freund leise Vorhaltungen machte. Der Maler erwiderte in seiner burlesken Art: bei ihm äußere sich Gemütskampf nicht wie bei andern Menschen durch Appetitlosigkeit, sondern durch eine unüberwindliche Freßgier.
    Später bat Weihals den sehr musikalischen Karl, er möge doch eine schöne Stelle aus dem Tristan spielen. Karl setzte sich willig ans Klavier und spielte eine sentimentale Arie aus Gounods Faust. Der Kommerzienrat ging in die Falle und bewunderte die Tristanmusik. Als ihn der Oberprimaner aufklärte, meinte er: »No, no, – das is auch ä schön Musik, der Faust! Aber aus dem anneren Faust von Göthee mach ich mer nix; das is langweilig Zeug.«
    Karl lachte. »Sie sind wenigstens ehrlich,« meinte er. »Merkwürdig, daß Sies bei solcher Ehrlichkeit doch zum Millionär gebracht haben.«
    »Na, wisse Se,« lachte Weihals stolz, »daran bin ich am wenigsten schuld. Mein Vater war ä einfacher Bauer; mir hatte daheim in der Pfalz – net hier! – unser kleines Gut. Dann gings so: Die klein Gemeind hat einen großen Bauplatz belasse, sie wollt awer net die Steuer von sechzig Mark drauf zahle; da hat mei guter Vater den Bauplatz für n Trumpel an sich gebracht. Nachher ging die Bahn mitte durch den Platz! Was sage Se zu so me Geschäftche? So hat er noch mehr gemacht.«
    »Aha«, sagte Karl, »da haben Sie natürlich ein glänzendes Geschäft gemacht. Aber auf welche Art haben Sie denn Ihren Titel ›Kommerzienrat‹ erhalten?«
    »Wie?« fragte Weihals fast empört, »wisse Se das net?«
    »Nein.«
    Natalie errötete, da sie wußte, daß Karl den Sachverhalt genau kannte und nur aus Bosheit ihn noch einmal aus dem Mund des Kommerzienrats hören wollte. Ihr gefiel dieses Aufziehen des Millionärs nicht. Emilie legte sich, um satirische Ausfälle Karls zu verhindern, ins Mittel.
    »Der Herr Kommerzienrat« sagte sie ehrfurchtsvoll, »ist ein verdienstvoller Mann. Er hat einen großen Bauplatz für ein Waisenhaus der Stadt geschenkt.«
    »Und dann« setzte Weihals hinzu, »hab ich ja auch noch das Glockenspiel fürs Waisenhaus gestiftet.«
    »Sehr verdienstvoll!« bemerkte Karl. »Sie haben dabei jedenfalls Ihren Namen gleich an die große Glocke gehängt?«
    Man lachte.
    »Ja,« fuhr Karl fort, »heut ists anders als zu Christi Zeit; heut habens die Reichen leicht ins Himmelreich zu kommen. Aber noch verdienstvoller wärs, wenn Sie das Glockenspiel auch selbst zum Spielen brächten! Denken Sie sich, wie Sie vor den Glocken sitzen und: Wie groß ist des Allmächtigen Güte! herunterklimpern.«
    »Hi, hi,« ging Weihals auf diesen Scherz ein. »Sie sin halt ä groß Talent, Herr Körn, ich hab gehört, daß Sie auch gern so schöne Poesiegedichter mache duhn. Nu wisse Se was? ich wer mal eins von Ihre Poesiegedichter komponieren.«
    »O eine große Ehr für mich!« versicherte Karl; »wenn das arme Poesiegedicht die Musik nur aushält.«
    »Dann laß ichs singe,« fuhr der Kommerzienrat fort. »Die Hofopernsängerin Melder singt mers in me Conzert, kost michs was es

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