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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Möglichstes tun. Wenn er aber darauf besteht, sein Kapital an sich zu ziehen, mußt dus ihm halt in Gottes Namen geben.«
    »Was bleibt mir dann anders übrig?« seufzte er verstört.
    »Wir kommen auch ohne die dreihundert Mark aus!« fuhr sie in ihrer herzlich-geschwätzigen Weise fort, ihm die Wange streichelnd. »Und siehst du, ich gönne eigentlich dem armen Otto sein Häuschen mit dem Atelier. Der elternlose Mensch dauert mich so. Wie ist er als Kind überall herumgestoßen worden, von einer Familie in die andere. Die Nahrung war da oft recht mangelhaft. Seine Erziehung wurde auch vernachlässigt. Hätt er Eltern gehabt, die hätten ihn dazu angehalten, was Ordentliches zu lernen. Er mag ja ein hübsches Talent haben, – aber wie schwer ists als Künstler sich durchzubringen! Sein kleines Kapitälchen ist eigentlich der einzige Notretter für den überdies noch kränklichen Menschen . . .«
    Dem Anwalt begann bei diesen gutgemeinten Worten zu schwindeln, so daß seine Frau es merkte und den Wankenden bestürzt fragte: »Was hast du denn?«
    »Ach – nichts!« seufzte er. »Ich leide seit einiger Zeit zuweilen an Schwindelanfällen.«
    »Du mußt was dagegen tun,« sagte sie besorgt. »Morgen frag ich den Dr. Müller, sobald er zu Körns kommt. Jetzt geh ein wenig herüber,« setzte sie freundlich hinzu, »Kommerzienrat Weihals ist drüben. Hörst du? er spielt.« Man vernahm aus der Ferne mittelmäßiges Klavierspiel.
    »Ich komme gleich – doch noch Eins!«
    »Was?«
    »Hat denn Otto Grüner niemals eine leise Neigung für unsere Nata durchblicken lassen?«
    »Das hast du schon einmal gefragt. Gott! mir wäre das ja auch ganz lieb. Otto ist ein guter Mensch. Aber, wahrhaftig, – leider – ich glaub, Nata hat eher eine Abneigung gegen ihn.«
    »Bearbeite sie ein wenig,« wendete er ein, »eine Mutter vermag so viel über das Herz ihrer Tochter.«
    »Nun – ich will mir Mühe geben.«
    »Es wäre die beste Lösung!« stieß er heraus, setzte aber gleich hinzu, »wollt sagen: dann blieb das Vermögen wo es ist.«
    »Wir wollen sehen!« versetzte sie. »Geh nur n bischen herüber.«
    »Ich komme gleich,« sagte der Anwalt mit belegter, rauher Stimme.
    »Übrigens,« setzte er nach einer Pause hinzu: »wie steht es denn mit dem Kommerzienrat Weihals?«
    »Wieso?«
    »Ich meine . . . es kam mir manchmal so vor, als ob . . . Ja als ob er sich für unsere Nata interessierte.«
    »Um Gotteswillen, Willy, was fällt dir ein!«
    »Warum? Weihals ist doch ein gutmütiger, ehrenhafter Mensch?«
    »Vielleicht, obwohl wir darüber gerade keine bestimmten Beweise haben. Aber daß unserer Nata der Kommerzienrat gefallen könnte, das glaubst du doch selbst nicht?«
    »Warum nicht? Seh ich nicht ein!«
    »Ach, Willy, sprich kein solches Zeug!«
    »Auch in diesem Falle kann die Mutter auf das Herz der Tochter einwirken.«
    »Das werd ich tun! Du weißt doch, daß ich den ungebildeten Weihals nie leiden konnte. Meine Nata würde mir leid tun, wenn . . . Nein ich würde ihr sogar ganz entschieden abraten.«
    »Aber er spricht doch so gern mit ihr?«
    »Um Gotteswillen, hör nur auf mit solchen Einfällen! verkaufen wollen wir unser Kind doch nicht?«
    Sie verließ das Zimmer. Der Anwalt betrachtete noch einmal seine geliebten Münzen, – von denen er sich trennen wollte, für immer. Die Sammlung war 5–600 Mark wert. Das reichte doch für ein paar Monate, um an Otto Zinsen zu zahlen. Seine Frau hatte recht. Das kleine Kapital war der einzige Notanker des kränklichen Menschen und er hatte ihm diesen Notanker aus dem Grund gerissen.
    Eine tiefe Schwermut überschlich auf einmal die Seele des Anwalts, tiefes Grauen vor seinem Ich, das er so gern anders gestaltet hätte und das doch einmal so blieb wie es war.
    Und der Betrogene tat ihm unendlich leid. Er sah im Geist das bleiche Gesicht, die starr auf ihn gerichteten Augen des jungen Malers, dem er zuflüstern mußte: »Du hast nichts mehr! Du bist ein Bettler!« Meyer murmelte jetzt mit aschfahlen Lippen diese Worte vor sich hin: »Du . . . hast . . . nichts . . . mehr.« Noch niemals hatte ihn ein so herzzerfleischendes Mitleid mit seinem Opfer gequält, wie jetzt, – er sank wankend in seinen breiten Strohsessel, stützte den Kopf auf den Arm und weinte.
    Jetzt schallte vom Hausflur herüber das silberhelle Lachen Emiliens. Nein, sagte er sich, wenn du die Wahl hättest, du würdest wieder so handeln! Dies Lachen hat dich bezaubert. Was ist dir Otto

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