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Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
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Kommerzienrat, ich muß doch wohl selbst am besten wissen, welches Opfer ich meinem Mann bringen darf und kann . . .«
    »Sie verstehe mich net, Frau Rechtsanwalt«, flüsterte er erregt, »ich mein . . ., es gibt doch Männer, die Ihrer Lieb würdiger sind, als . . . als . . .«
    Sie sah ihn einen Augenblick befremdet an. Dann hauchte sie mit tränenerstickter Stimme, ihn absichtlich misverstehend: »Ich weiß, daß meine Bitte unverschämt ist. Ich weiß, daß nur die Verzweiflung sie einigermaßen entschuldigt . . . Die Not, die Schande, raubt mir die Besinnung, und Sie – sind doch ein so guter Mensch! nicht wahr?«
    »Ja, freilich bin ich däs,« sagte er etwas beschämt. »Ja gewiß, ich bin ä seelenguter Mensch, däs war ich immer und hoffs auch zu bleiwe mei Lewe lang. Aber, bedenke Se, – zwanzigtausend Mark, die schüttelt mer net so, mir nix dir nix, aus dem Ärmel; däs is ä Wort! un wisse Se, ich werd sehr überschätzt, – mei Reichtum is gar net so groß.«
    »Ja, wenn Sie mir die Summe nicht geben können,« fuhr sie resignirt fort, »bin ich Ihnen deshalb gewiß nicht bös. Betrachten Sie meine Bitte als nicht ausgesprochen. Es war ja nur ein Versuch, ein letzter Rettungsanker. So mag denn in Gottes Namen der Himmel über uns zusammen brechen!«
    »Sie tun mer leid!« klagte der fette Kommerzienrat. »Weiß Gott, Sie tun mer leid. Awer was kann ich tun? Zwanzigtausend Mark? Ohne jede Sicherheit? die schmeißt mer net so naus. No! no! no! Ich will ja gern sehn, was ich für Sie tun kann. – Warte Se mal!« überlegte er mit schlau-zärtlicher Miene. »Hm, ja, man bringt ja gern ä Opfer, – wenn mer aach ä Opfer gebracht kriegt . . . un wenn Sie, so ä reizende, kleine Frau, mir vielleicht ä bische entgege komme wollte . . .«
    Jetzt mußte sie das schlau-verschämte Lächeln, das um seine dicken Lippen sich schlängelte, verstehen. Sie wollte auffahren und sich entrüstet entfernen. Doch die Not macht demütig. Auch schärfte ihr die Verzweiflung den weiblichen Scharfsinn, durch den sie instinktiv erriet, daß dieser ungebildete Mensch gar nicht so schlecht und roh war, als es den Anschein hatte; daß sich unter seiner unbeholfnen Außenseite, unter seiner derben Genußsucht, eine gewisse urwüchsige Gutmütigkeit barg. So überwand sie ihren Widerwillen und blieb.
    »Herr Kommerzienrat,« flüsterte sie, »das hätt ich nicht gedacht, daß Sie zu den Reichen gehören, die das Elend der Armen ausnutzen wollen. «
    Sie hatte richtig gerechnet; er erschrak.
    »O! o!« entschuldigte er sich. »Verstehe Se mich nur net falsch . . .«
    »Wie soll ich mir Ihre Andeutung anders auslegen?« fuhr sie mit tränenerstickter Stimme fort. »Das ist entsetzlich von Ihnen, abscheulich; so handelt kein – Gebildeter!«
    Nach einer Pause flüsterte er in größter Verwirrung, die seinem Nero-Antlitz einen ans Komische streifenden Ausdruck verlieh, vor sich hin: »Verzeihe Se mir. Sehe Se, ich hab immer Unglück gehabt in der Lieb! Sie habens ja längst gemerkt, daß ich ä große Leidenschaft für Sie im Herze getrage hab . . .«
    Dies Wort faßte sie rasch auf. Sie sah ihm mit innigem Vorwurf in die Augen: »Eine große Leidenschaft? Und Sie meinen, jetzt wär die Gelegenheit gekommen, dieser Leidenschaft Ausdruck zu geben? Hören Sie, – jetzt? wo ich in Not bin?« Sie sah ihm vorwurfsvoll in die Augen, die er niederschlug. Dann fuhr sie fort: »Lieber Herr Kommerzienrat, ich hab Sie für edler gehalten; ich hab geglaubt, jetzt würde Ihnen gerade Ihre Leidenschaft ein solches Mitleid mit meiner Hilflosigkeit, meinem Jammer einflößen, daß Sie mit keinem unlauteren Wunsch mir zu nahen wagten, daß nur die edlere, bessere Seite ihres Charakters zu Worte käme, nicht die gemeine. Sollte ich mich so sehr in Ihnen getäuscht haben? O nein! Rauben Sie mir nicht den Glauben an das Bessere, Idealere in Ihnen. Sie lieben mich? Echte Liebe bringt Opfer . . . auch wenn sie dafür keine Gegenopfer empfängt. Wenn ich es gewußt hätte, daß Sie eine Neigung für mich empfinden, wäre ich lieber gar nicht her gekommen. Jetzt da ich einmal da bin, sag ich: wenn Sie wirklich eine zärtliche Neigung für mich empfunden haben, o! so wandeln Sie diese Neigung um in eine hohe, reine, – und ich will Sie anbeten!«
    Er blickte beschämt zu Boden. »Wirklich?« stammelte er halb besiegt. »Sie könnten den garstige Weihals ä wenig gern habe?« Seine Augen befeuchteten sich.
    »Nicht bloß

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