Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909

Titel: Walloth, Wilhelm: Im Schatten des Todes. 1909 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walloth
Vom Netzwerk:
sich einige Tage krank fühlte. Er war so matt, daß er kaum gehen konnte, suchte aber seinen Zustand ängstlich vor dem Vater zu verbergen. Natürlich hatte nach diesem Auftritt sein Haß gegen seinen Erzeuger noch bedeutend an Tiefe zugenommen.
    Wenn auch alle seine übrigen Gründe vielleicht auf Einbildung beruhten, jetzt hatte er einen wirklichen greifbaren Grund, der noch obendrein kein egoistischer war, der sich mit dem Mantel des Edelmuts drapieren konnte. Der Sohn verteidigte ja seine Mutter! . . .

    16.
    Etwa nach drei Tagen besuchte Karl seine Freundin Emma. Diese unterhielt sich eben gerade mit Luise über das Mystische im Tiergeist.
    Sie behauptete: Der Kater Peter lege entschieden stets eine größere Zärtlichkeit an den Tag, sobald ihr ein Unglück drohe. Das Tier ahne nahendes Unheil voraus. Karl ging auf diesen Gedanken ein. Im Tier, im Kind und in den Dummen, meinte er, sei überhaupt stets etwas Mystisches verborgen. Dann erzählte er den Vorfall, der sein Familienleben beunruhigt hatte.
    Emma suchte ihm seinen unkindlichen Haß auszureden. Vielleicht habe der Arzt doch recht, vielleicht bereite sich im Geist seiner Mutter langsam ein tieferes Leiden vor. Was sie von den Seltsamkeit der arme Frau gehört, sei denn doch wirklich Besorgnis erregend.
    Karl bestritt das heftig: Der Vater wolle die Mutter nur los sein. Überhaupt die Ehe! wie sich die moderne hochgebildete Gesellschaft nur ein solch mittelalterliches Institut aufzwingen lasse.
    Sie lachte. Sie sei ja auch eigentlich Ehefeindin; die Unglücklichen, die nun aber mal in die Pfaffenfalle hineingeraten seien, solle man nicht schmähen, sondern bedauern, ihnen eher heraushelfen.
    »Da haben Sie recht,« meinte er. »Mein Vater sollte sich von der Mutter trennen, das wäre die einzig richtige Lösung der Frage.«
    Während dieser Unterredung entdeckte sie zum erstenmal unzweifelhaft im Benehmen des jungen Mannes etwas ihr sehr Peinliches, eine leise, naive Liebesannäherung. Sie hatte ihm vorgeschlagen, sie wolle mit seinem Vater über ihn und die Mutter reden; da ergriff er sonderbar erregt ihre Hand und warf ihr einen glühenden Blick zu, der sie sofort mit Kälte übergoß. Sehr enttäuscht ja erschrocken zog er, als er ihr kühles Benehmen bemerkte, seine Hand zurück und blickte erbleichend unter sich, mit sich selbst höchst unzufrieden.
    »Wärs nicht doch besser,« sagte sie, »Sie befolgten das Gebot Ihres Vaters?«
    »Welches Gebot?«
    »Mich nicht zu besuchen.«
    »Aber er hats ja zurückgenommen.«
    »Nun ja. Aber offenbar ungern.«
    »Wenn Sie mir Ihre Wohnung verbieten,« stammelte er schmerzlich bewegt, »denn allerdings . . . muß ich . . .«
    Nun tat er ihr wieder leid. Sie flüsterte weich: »Na gut, – so kommen Sie denn.«
    Ihr Mitleid demütigte ihn. Er nahm sich vor, nicht mehr zu kommen, doch zerriß dieser Vorsatz sein Herz. Das ganze Zimmer drehte sich mit ihm, er glaubte er müsse die Wände hinausdrücken.
    »Geistig sehr hochstehende Menschen,« begann sie nun zu philosophieren, »sollten nie von Leidenschaften verzehrt werden, sie sollten immer frei über den Stürmen des Lebens schweben.«
    »Ich meine, im Gegenteil,« versetzte er. »Geistig hochstehende Menschen sollten alle Stürme des Lebens im Busen durchkämpfen.«
    »Ich verliere sofort das Interesse an einer Person,« sagte sie bedeutsam, »wenn sie von ihrer Höhe in die Niederungen der Leidenschaft sinkt. Der Adler ist nur schön, wenn er über den Bergen schwebt; im Sumpfe watend wird er lächerlich.«
    Er wiegte leise den Kopf, als wolle er andeuten: ich verstehe! Ein pressender Krampf hielt ihm die Kinnbacken umspannt; er durfte keine Miene verziehen, sonst wären seine Tränen aus den Augen geflossen. –
    Zur selben Zeit saß Otto Grüner neben Luise am Klavier auf dem kleinen Drehstuhl. Sie gab ihm Unterricht. Im Schweiß seines Angesichts hatte er schon eine Viertelstunde mit krampfgekrümmten Fingern darauflosgehackt, zuweilen, wenn die Lauschende tadelte, mit der linken Hand nervös sein blondes Schnurrbärtchen streichend. Seine Finger waren sehr weich, die Nägel waren so weit zurückgeschnitten, daß jeder Finger, gleich einem Froschfinger, in einem runden Ballen endigte. Haare hatte der junge Mann nicht mehr viel auf dem Kopf, sein Hals bis an den Nacken hinab schimmerte röter als je und goldgelb glänzten im Gesicht die unzähligen Sommersprossen. Nun hielt der hagere Herr, der seine Jugend schon etwas allzu stark genossen

Weitere Kostenlose Bücher