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Walpurgistag

Walpurgistag

Titel: Walpurgistag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
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Bildungsprivileg aufgehoben hat, und nun tanzen ihr die Untertanen auf der Nase herum«, sagt die Mutter. »Nee, da spricht die Mutter, die’s bald hinter sich hat. Ein Glück ooch. Stell dir vor, wir würden jetzt erst anfangen. « – »Boahhh«, sagen beide gleichzeitig. »Die Windeln und die ganze Kacke.« – »Und das Geschrei.« – »Und die Brustwarzenentzündungen. « – »Ick könnt die auch gar nicht mehr tragen«, sagt die Kräftige. » Wie machen das die Westtussen eigentlich?« – »Das sind nicht nur Westtussen«, sagt die Mutter. »O. k., o. k., wie machen das die Frauen mit dem späten Kinderwunsch?« – »Die haben ihre Lebensplanung etwas besser organisiert und können ein Au-pair-Mädchen aus einem osteuropäischen Land bezahlen. Die ist so jung, wie ich’s bei meinem ersten Kind war. Das Kind, das bald auf die zwanzig zugeht.« – »Und jetzt als Au-pair in Amerika ist.« – »Und Kinder frühestens mit fünfunddreißig will, wenn überhaupt.« – »Logo.« – » Womit wir beim Anfang wären.«
    Das Mädchen Klara drückt die Erde um den Baum fest, wischt mit einem Papiertaschentuch den Dreck von der Schaufel und stopft sie mit beleidigtem Gesicht in den Rucksack. » Weißt du, dass Mädchen schneller geschlechtsreif werden, wenn sie nicht dem Geruch des biologischen Vaters ausgesetzt sind?«, fragt die Kräftige. »Echt? Ist das nun gut oder schlecht für das Kind?« –
»Keine Ahnung, ich dachte, die werden sowieso früher geschlechtsreif. « – » Klara hat sie ja auch schon, und bei ihr ist der biologische Vater präsent.« Klara hält sich die Ohren zu.
    Ein älterer Mann macht sich am Zaun zu schaffen und lässt einen Hund durch den Spalt. Der prescht sofort auf den Weihnachtsbaum los, hebt das Bein und pinkelt dagegen.
    »Pfeif deinen Hund zurück, Alta«, schreit die Kräftige. Und zu den anderen: »Das hat der mit Absicht gemacht, das Arschloch. Weil wir hier unbefugt sitzen.« Und noch mal in seine Richtung: »Blockwart!« Aber der Alte dreht sich nicht um.
    »Dass die Hunde auch an Nadelbäume pinkeln, wo die Nadeln doch ihre Weichteile zerkratzen könnten.« – »Vielleicht war’s ja ’n Weibchen«, sagt die Mutter. Die beiden Weiber kichern. Dann fassen sie die Zipfel der Decke und legen sie fünf Meter weiter links ab. Auf der Wiese trifft der Hund auf einen zweiten Hund, und sie beschnuppern sich, können aber nichts miteinander anfangen. »Nicht doch, komm sofort her! Bei Fuß, Stalin!«, schreit eine alte Frau, und der zweite Hund trollt sich. »Hab ich richtig verstanden, hat die eben ihren Hund Stalin gerufen?«, fragt die Kräftige. »Glaub ich nicht«, sagt die Mutter, »wer würde seinen Hund so nennen?« – »Es gibt genug Kampfhunde, die Adolf heißen.« – »Das ist alles andere als ein Kampfhund.« – » Vielleicht hat sie ihn ja deshalb Stalin genannt, weil er so ’n Pinscher ist.« – »Hast du auch schon mal darüber nachgedacht, ob die Tiere Lust dabei empfinden, wenn sie ihr Geschlecht ablecken? Ich meine, sie machen’s nicht so lange, bis ein Schauer durch sie durchgeht, oder doch?«, fragt die Mutter. »Du meinst, die lecken nicht, bis sie einen Orgasmus kriegen?« Die Kräftige setzt sich auf und schaut der Mutter ins Gesicht. »Ja, wenn ich einer Katze dabei zusehe, denke ich manchmal, die macht es sich selbst, aber kurz vor ’m Höhepunkt ist ihr langweilig, oder es ist ihr zu anstrengend.« – »Ich weiß gar nicht, ob Tiere Lust empfinden, also den Geschlechtsakt von der Begattung trennen und ihn somit zu einer lustvollen Betätigung machen«, sagt die Kräftige. »Wasweißich, ich bin keine Biologin. Ich finde es nur schade, dass Menschen so ungelenk oder in der
Beziehung schlecht gebaut sind. Ich würde das auch gerne können, Bein hoch und meine Möse lecken.« – »Ich stelle mir gerade vor, wie du das Bein hebst«, sagt die Kräftige und kichert. Die Mutter hebt das Bein, aber die Zunge reicht nur bis zum Oberschenkel.
    »Dafür konnte ich aus meiner eigenen Brust trinken«, sagt die Kräftige. »Das war ganz praktisch, ich fand das Abpumpen so öde. Ständig Muskelkater in den Handgelenken.« – »Brrr«, die Mutter schüttelt sich. »Ich finde, Muttermilch schmeckt eklig.« – »Ich habe mal meine eigene Milch in den Kaffee gemolken, den konnte ich hinterher in den Ausguß gießen«, sagt die Kräftige. »Igitt, labbrig und total süß.« Die Mutter verzieht das Gesicht.
    »Ein halbes Jahr nach Linas Geburt war ich zu Besuch

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