Walpurgistag
uns schnappen.« Vom Heinrichplatz her kommt ein Trupp martialisch aussehender Polizisten im Laufschritt auf sie zu. Heinz lässt aus Versehen den Einkaufswagen los. Beinahe wäre der gegen ein Pizzaauto geknallt, das sich den Weg durch die Menge zu bahnen versucht. »Na jut, Mädels, nehmt euch noch, was ihr braucht, und denn adieu.« Er verbeugt sich mit übertriebener Geste und schiebt mit dem Einkaufswagen ab.
Sugar und Cakes setzen sich etwas abseits vom Getümmel hin und machen den Champagner auf, den Cakes geklaut hat. Dazu Thunfisch, den sie mit den Fingern aus der Büchse klauben müssen. »Auf dich, und dass du ja nicht heiratest«, sagt Cakes zu Sugar. Aber sie weiß längst, dass es kein Zurück für Sugar geben wird. Auf der anderen Platzseite wird unter einem Baum ein erstes Feuer entzündet. »Der arme Baum«, sagt Sugar, »gleich wird er brennen.« Die Stimmung ist gespannt.
Plötzlich steht Alex vor ihnen, eine rote Nelke an seiner Jacke, mehr hat sich nicht an ihm verändert. Doch, der Rucksack scheint schwerer zu sein, er zieht ihn nach unten. » Was willst du denn schon wieder?«, ruft Sugar in nöligem Ton. » Wenn du’n Einkaufswagen für deinen Rucksack brauchst, da vorn, der Alte, der gibt seinen bestimmt gern ab. Ah, was hast du denn da drinne? Eine Kaffeemaschine in Orange. So eine hatten wir bis heute Morgen
auch, dann hat sie puff gemacht. Und wo ist hier eine Steckdose, Alex? Außerdem, wie viele Male müssen wir dich eigentlich heute noch treffen?« – »Ich will euch einsammeln«, sagt Alex, »ehe ihr noch mehr Blödsinn macht.« Sugar steckt sich einen geklauten Lolli in den Mund und schaut Alex lolitamäßig an. » Wir lassen uns nicht einfangen und schon gar nicht von dir.« Die beiden kreischen in hohem Ton, ein paar Punks drehen sich um, interpretieren die Situation der schreienden Mädchen neben dem älteren Mann so, wie von den beiden gewünscht, und bauen eine Drohkulisse auf. »Lass die Mädels in Ruhe, bist wohl ’n Kinderficker?« Der da spricht, sagt das sehr laut, dass sich auch noch andere umdrehen und Alex langsam einkreisen. »Lasst ihn gehen«, sagt Sugar und leckt herausfordernd an ihrem Lolli, »unser Opa wollte sich sowieso gerade von uns verabschieden.« – »Ihr werdet schon sehn, ihr Früchtchen«, murmelt Alex, als die Menge ihn freigibt und er grußlos von dannen zieht. »Lass uns abhauen«, sagt Sugar. »Im Mauerpark ist eh mehr los.« – »Keine Lust auf die Prenzelwichser«, mault Cakes, aber Sugar hat sie schon hochgezogen. »Sei nicht so faul, wer weiß, wie oft wir noch zusammen nachts unterwegs sein können.« – »O.k., überredet«, sagt Cakes und lässt sich von Sugar Richtung U-Bahnhof Moritzplatz schleifen.
22.16 Uhr
Katrin Manzke gerät ins Getümmel und hört Kuttners Sprechfunk auf Kassette
Katrin Manzke dachte sich, na schön, machst du einen kleinen Umweg, fährst über die Dresdner, aber dann war sie plötzlich mitten drin in dem Schlamassel, ein älterer Mann mit einem Einkaufswagen voller Lebensmittel kollidierte fast mit dem linken Kotflügel ihres Autos, und die erste leere Bierflasche krachte auf die Heckscheibe. »Pizza her«, schrie einer der Besoffenen, und ein anderer langte durch das offene Fenster, um ihr seine Pranke auf die Schulter zu hauen. »Toll, dass du uns Kämpfer kostenlos belieferst.« Sie kurbelte so schnell die Scheibe hoch, dass der Typ gerade noch die Finger rausziehen konnte, und zeigte ihnen allen den Stinkefinger. Dann startete sie den Motor und mogelte sich im ersten Gang durch die Menge. Kackvögel.
Es war besser, sich heute Abend nicht mit ihr anzulegen. Brieftasche weg, aus dem fest eingeplanten Sex nichts geworden, keine richtige Arbeit, und in den Rückspiegel wollte sie gleich gar nicht mehr gucken. Zwei tiefe Falten hatten es sich zwischen Nase und Mund gemütlich eingerichtet. Katrin Manzke hatte eine Stinkwut wegen der geplatzten Verabredung. An der Oranien war die Straße von einer Reihe BGSler abgesperrt, wahrscheinlich alle aus der tiefsten Provinz, kennen sich nicht so gut aus, sperren erst mal die Straße ab. Idioten! Und dann waren da noch die Blödmänner von der gegnerischen Seite, allesamt Altpunks, sprich dreißig aufwärts, die die Ampel am Oranienplatz zerstören wollten und es nicht hinkriegten. Einer drosch mit einem Stock gegen die Blende des Rotlichts, bis sie abfiel. Aber die Lichter wollten nicht ausgehen. Niemand griff ein. Einer der Punks, zwei Meter groß, versuchte dann,
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