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Walpurgistag

Walpurgistag

Titel: Walpurgistag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
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knallt das Skateboard so hart auf den Bordstein, dass es in der Mitte zerbricht. Der Kleine wirft sich auf den Polizisten, der haut ihm eins mit dem Knüppel auf den Rücken. Aber nein, nein, das ist jetzt nicht mehr fair. Der Junge heult. Zu ihm hin eilt ein Mädchen, das laut >Paul< schreit, so heißt wohl der Junge, und, bei ihm angekommen, ihn in den Arm nimmt und tröstet. Hier gibt es jetzt eine Spielunterbrechung, eine Frau, offensichtlich die Mutter, eilt auf das Schlachtfeld und zieht ihre Kinder weg. Ich gebe weiter zum Boxhagener Platz, ich höre gerade, dort bewegt sich etwas. – Ja, ich zähle zwölf Polizeiwannen und drei Wasserwerfer, die sich langsam die Grünberger Straße in Richtung Boxhagener Platz bewegen. Unter den Schwarzen macht sich Unmut breit, es gibt Diskussionen darüber, dass nur Polizeiwagen mit Schweriner Kennzeichen geschickt werden, die sich nicht auskennen in den Straßen und so zu leichter Beute der Schwarzen werden. Es gab hier eben schon Sprechchöre: >Wir wollen mit Berlinern kämpfen, schickt die Fischköppe nach Hause.< Im Moment stehen sich die Kombattanten noch kampflos gegenüber, aber gerade hat ein Polizeisprecher über die Lautsprecheranlage bekannt gegeben, dass das Fest auf dem Boxplatz zu Ende ist. >Det heißt Schachtelplatz<, hat einer der Schwarzen durch die Lautsprecheranlage des Demonstrationsbusses zurückgeschrien. Sie hören, es gibt hier eher verbale Scharmützel. Ich gebe zurück ins Studio, zu Hubert Knobloch. – Ja, danke, Wolfgang Hempel, wir hier im Studio machen jetzt erst einmal Musik.«

23.52 Uhr
Paul verspricht Heike, keine Umwege zu machen
    »Sollen wir dich noch nach Hause bringen?«, fragt Heike, als sie aus dem Notarztwagen steigen und die Kastanienallee hinuntergehen. »Danke«, sagt Paul. »Ich komme alleine klar. Ist ja mein Schulweg. Außerdem sind noch viele Leute unterwegs.« – »Wir können aber auch deine Mutti anrufen.« – »Unser Telefon ist kaputt.« – »Versprichst du mir, dass du keine Umwege machst?« Paul nickt. Eigentlich wäre es schön, wenn die beiden ihn nach Hause bringen würden, aber er hat Angst davor, dass sie vielleicht noch mit in die Wohnung kommen wollen. Die Flasche Schnaps von vorhin ist inzwischen bestimmt leer. Im günstigsten Fall schläft seine Mutter schon tief. Im ungünstigsten liegt sie im Hausflur oder, schlimmer noch, auf der Straße, wie es öfter passiert, wenn sie besoffen den Schlüssel nicht findet und sich dann einfach auf die Erde legt. Einmal klebte Hundekacke an ihrer Wange.
    Klara streicht Paul über sein Stoppelhaar. Etwas Warmes kriecht ihm den Rücken hinunter und lässt ihn den Schmerz vergessen, der davon herrührt, dass ein Polizist ihm mit dem Knüppel auf die Nieren geschlagen hat. Angeblich aus Versehen. Heike wurde von ihm angeschnauzt, was sie mit ihren Kindern überhaupt um die Zeit hier zu suchen habe, und sie entgegnete mit ganz ruhiger Stimme, es sei ein traditionelles Fest heute, das Hexen und ihre Kinder seit Jahrhunderten feierten, und sie frage sich, was die Polizei da zu suchen habe.
    Heike hat sofort Anzeige erstattet und die Verletzungen von einem Notarzt aufnehmen lassen. Sein Rücken soll ganz blau sein, hat Klara gesagt, er kann das ja nicht sehen, der Arzt hat es fotografiert. Paul hat eigentlich keine Lust mehr, die Website
www.peinlichemuetter.de für Klara zu bauen, Heike ist ganz in Ordnung, sie will ihm ein neues Skateboard besorgen und am Wochenende mit ihnen in den Zoo gehen, da war Paul nämlich noch nie. Paul trägt die beiden Hälften des Skateboards immer noch mit sich herum. Klara hat »Bullenschweine Walpurgisnacht« darauf getagt.
    »Tschüss, Paul. Und Donnerstag kommst du bestimmt in die Schule?« – »Bestimmt.« – »Versprichst du’s?« – »Ich verspreche es.« Bevor sie sich umdreht, sagt Klara etwas sehr Seltsames, auf das Paul nicht antworten kann: »Die zwei Grad wird der Haifisch verzeihen.« Und zwinkert ihm zu.
    Paul sieht den beiden hinterher. Sie haben einander untergehakt wie Freundinnen. Ein kleiner Kloß steigt ihm die Kehle hoch, kann aber hinuntergeschluckt werden.

23.55 Uhr
Stalin wird von einem Wasserwerfer überfahren
    (Trude, Ilse und Gerda haben sich an das nächste Feuer am Eingang des Mauerparks verzogen. Dort sitzen sie inmitten von jungen Leuten. Eine Flasche Tequila kreist, die alten Damen nippen nur.)
    Trude: So und jetzt erzählt mal jede von euch den uneingeweihten jungen Leuten hier eine Geschichte vom

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