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Walpurgistag

Walpurgistag

Titel: Walpurgistag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annett Groeschner
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erwarten, ja, hoffen gar, dass sich die Weiber, die sich wirklich ähnlich sehen, in die Haare kriegen. Die sind aber klug genug, das nicht vor der Polizei zu tun. Sie giften sich mit
Blicken an. Die beiden sitzen in der Falle, was aber nur Annja Kobe als Problem ansieht. Armer Papa, denkt sie, und: Hauptsache, heute ist es nicht ernst.

24.00 Uhr
Alex steckt die Welt in seinen Rucksack
    »So, das wär’s für heute«, sagt Alex, nachdem er Annja erfolgreich mit einem Trick aus dem Funkstreifenwagen der Polizei geholt hat. (Wie, das soll hier nicht verraten werden.) »Ihr könnt mich alle mal. Gibt es nicht einen Tag, an dem ich meine Ruhe haben kann? Er darf auch verregnet sein, um den Schwierigkeitsgrad nicht zu verringern.« – »War’s denn heute wirklich so schwer mit deinem Kasperletheater?«, fragt Liebig. »Wenn Annja mir nicht reingepfuscht hätte ... Ich hasse Chaoten und euch am meisten.« – »Tut mir leid, aber ich brauchte dringend neue Papiere.«
    »Das elfte Gebot, meine Liebe, du sollst dich nicht erwischen lassen.«
    Annja Kobe stiert auf die Erde und schweigt.
    » War nicht so gemeint, musst nicht gleich heulen. Helft mir mal, die Figuren wieder einzusammeln. Sonst langweilen wir uns morgen.« Alex holt seinen Rucksack und knüppert umständlich den Knoten unter der Klappe auf. »Die drei alten Damen hab ich schon eingefangen. Ich kam mir vor wie beim Flohzirkus. Die haben aber auch eine Energie, Junge, Junge, das kommt im wirklichen Leben selten vor.« – »Die drei alten Damen, die war’n echtes Boulevardtheater. Ihren Hund Stalin zu nennen. Der Joke hätte von mir sein können. Hast du auch den Jungen im Sack, diesen Paul?«, fragt Annja. Alex nickt. »Und seine Freundin Klara? Diese neugierigen Biester.« Alex hält sie kurz an den Beinen hoch. Sie sehen aus wie Barbie und Ken, nur etwas gedrungener. Auch haben sie die Augen geschlossen. »Die schlafen schon. Gute Kinder. Genau wie die Eltern des Mädchens, die hatten so einen schönen Versöhnungsfick heute, Micha und Heike in love. Ach ja, und ein gut getarntes Kuckuckskind ist ja auch schon unterwegs ins Nest.« – »Ein Glück«, sagt Annja, »ich hatte schon Angst, dieser
Michael wäre echt, und ich werde den nicht mehr los. Jedes Mal denke ich das, wenn du den wieder aus deinem Sack holst und mitspielen lässt.« – »Hab doch nicht immer solchen Schiss. Ich freu mich schon auf den Tag, wenn du wirklich geschnappt wirst. Alles wird von dir abfallen.« – »Ja, vor allem mein Vater.« Alex verdreht die Augen. Dazu will er jetzt nichts sagen. »Und Katrin Manzke?«, fragt Annja vorsichtig. »Hier«, sagt Alex, »wollen wir ihr nicht die Brieftasche wieder zukommen lassen? Und noch ’n Hunderter, auf den Schreck?«, schlägt Alex vor, aber Annja meint, das habe sie längst erledigt. Also fischt Alex Viola Karstädt und ihren Sohn Jonas aus dem Haus in der Oderberger und steckt die Kleinfamilie in den Sack gleich neben Trude Menzinger, Gerda Schweickert und Ilse Köhnke. Da ruht auch Stalin, in Zeitungspapier gewickelt. Es ist die BILD des vergangenen Tages, zwischen dem Hundeblut kann man noch die Zeile »I. Mai – Erleben wir den Gipfel der Gewalt?« lesen.
    »Du guckst so sehnsüchtig, Annja. Du kannst da nicht rein. Soll ich dir noch jemanden mitgeben für die Nacht?«, fragt Alex. »Brauchst sie bloß ein bisschen zu streicheln, und sie werden wieder groß. Vielleicht willst du den haben?« Alex hält Hosch kopfüber hoch. »Nee, der ist verletzt, ich will einen Gesunden. Außerdem war der scharf auf ’ne andere. Gib ihn dieser Tussi mit der Amnesie.« – »Die lebt seit einigen Jahren ihre lesbischen Präferenzen aus, muss ihr aber erst wieder einfallen. Und der Blutige ist schon mit Viola verabredet, mit der er ein Kind hat. Wie wär’s mit dem hier, dem Mann im Kuhfellmantel? Der kann tolle Geschichten über die Cholera in Berlin erzählen.« – »Mit dem war ich lieber befreundet.« – »Dir kann man nichts recht machen. Versuch’s doch mal mit dem, vielleicht kriegst du ihn rum.« Er hält ihr den kleinen Schwulen von der Bar in der Gleimstraße hin. »Lass mal, Alex, lieb gemeint. Liebig, Aki und du, ihr reicht mir völlig aus.« – »Könnt ihr mal fertig werden? Ich will nach Hause.« Liebig ist ungehalten, er hat heute beim Schach verloren, gegen so einen Loser im Mauerpark. Von Weitem ist immer noch Schlachtenlärm zu hören. Blaulicht flackert.

    » Was ist eigentlich mit Blix?«, fragt Annja. »Ist der

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