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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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vorwiegend auf die Arbeitsvorbereitung orientierte. Die deutsche Lehrerversammlung entwickelte den Begriff der Bildung dann weiter, trat für eine allseitige allgemeine Ausbildung ein. Wir nutzten also die Ideen und Erfahrungen, die in der Vergangenheit auf diesem Felde gemacht worden waren, welche jedoch erst unter sozialistischen Bedingungen verwirklicht werden konnten.
    Es war kein leichter Weg, es dauerte etwa anderthalb Jahrzehnte, bis die zehnklassige polytechnische Oberschule in der DDR flächendeckend durchgesetzt war. Und daran hatte Walter Ulbricht maßgeblichen Anteil.
    Die »Konsultation« des Staatsratsvorsitzenden bei deiner Tochter Sonja finde ich interessant. Nun frage ich dich als Mutter, nicht als Ministerin: Konnte er mit Kindern?
    Ja. Er war das, was man gemeinhin kinderlieb nennt. Ich meine nicht jene vermeintliche Zuneigung bei Politikern, die – sobald eine Kamera in der Nähe ist – Kinder drücken, herzen und über den Scheitel streichen, weil solche Gesten beim Wahlvolk angeblich gut ankommen. Ulbricht nahm Kinder ernst und besaß eine natürliche Zuneigung. Das spürte man auch an kleinen Begebenheiten. Einmal lag Sonja im Krankenhaus. Ulbricht hatte aus anderen Gründen im Hospital zu tun, ich weiß nicht, ob er jemanden besuchte oder selbst zu einer Untersuchung dort war. Jedenfalls bekam er mit, dass unsere Kleine auf der Kinderstation lag, und da schaute er spontan vorbei. Er wusste, wie Kinder darunter leiden, wenn sie allein sind, zumal in einem Krankenhaus.
    Zurück zur großen Politik. 1953 gab es durch Berija und seine Anhänger das Bestreben, die DDR aufzugeben. In der SED-Führung wurde die Forderung laut, Ulbricht solle von seiner Parteifunktion abgelöst werden. Honecker stellte sich damals auf die Seite Ulbrichts. Wie hast du diese Zeit erlebt?
    Bei diesem Angriff Berijas 11 ging es nicht um die Person Ulbricht. Es ging um die Generallinie der SED, die Walter Ulbricht konsequent vertrat, und es ging um die DDR. Berija wollte ein neutrales Deutschland mit einer Koalitionsregierung und damit eine Art Pufferzone zwischen dem Westen und der Sowjetunion. Das aber hieß nichts anderes als die Aufgabe der DDR und des Sozialismus in Deutschland.
    In dieser Situation, und auch nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956, gab es Schwankungen in der Parteiführung und Angriffe auf Walter Ulbricht im Politbüro. Erich stand immer auf der Seite Walter Ulbrichts bei der Verteidigung der Generallinie. Nach dem Bericht, den Erich auf dem 30. Plenum des Zentralkomitees erstattete, stellte sich das ZK hinter Walter Ulbricht und beschloss die weitere Entwicklung der DDR in Richtung Sozialismus.
    Die Attacke Berijas scheiterte an der Haltung unserer Partei, und sie musste scheitern, weil eine Preisgabe der DDR objektiv auch gegen die Interessen der UdSSR gerichtet war. Die Völker der Sowjetunion hatten schließlich nicht dafür geblutet, dass im Herzen Europas neuerlich ein revanchistisches, den Frieden bedrohendes Deutschland entstünde.
    Die DDR-Medien vermittelten in den 60er Jahren ein Bild der Harmonie zwischen Ulbricht und Honecker sowie deren Ehefrauen. 1970 änderte sich dies. Was war geschehen?
    Ich erinnere mich nicht, dass sich die die DDR-Medien über Privates, etwa über unsere gemeinsamen Kaffeenachmittage oder Skiausflüge zum Jahreswechsel ausgelassen hätten. Das war immer schon und ist erst recht heute ein beliebtes Feld der bürgerlichen Presse, auf dem viele Blumen sprießen. Aber deine Frage zielt wohl eher darauf, ob sich das Verhältnis der Ulbrichts und der Honeckers im Laufe der Zeit verändert habe, ob es Meinungsverschiedenheiten und Kritik an Entscheidungen Walter Ulbrichts gab. Grundsätzlich: Politische Meinungsverschiedenheiten bleiben in der Zusammenarbeit von Politikern nicht aus. In diesem Falle schmälerten sie aber nicht die von Achtung getragenen Beziehungen zu Walter, wobei ich einräume, dass in jener Zeit, als er schon alt und krank war, er es den Genossen nicht immer leicht gemacht hat.
    Als wir, mein Mann und ich, im Sommer 1973 Lotte Ulbricht auf Walters letztem Weg durch die von vielen Menschen gesäumten Straßen Berlins begleiteten, empfanden wir dies nicht als einen Abschied von seiner Politik, sondern als Abschied von einem Menschen, der uns in vielen Jahren gemeinsamer politischer Kämpfe nahegekommen war.
    Ich meinte den Wechsel von Walter auf Erich an der Spitze der Partei …
    Dabei ging es nicht um Personen, nicht um Walter Ulbricht und nicht um

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