Walter Ulbricht (German Edition)
Fördermitteln der Gemeinde, einrichteten. Davon wiederum profitierten auch andere, so die Frauen mit ihrer DFD-Gruppe 1 , die Freiwillige Feuerwehr und auch die Gemeindevertretung, die einen zusätzlichen Raum für Sprechstunden und anderes hatte. Unsere Versammlungen, Arbeitsgemeinschaften und Veranstaltungen waren öffentlich, und so nahmen oft viel mehr Jugendliche teil, als unsere Gruppe Mitglieder zählte.
Es war kein Triumphzug, zumal sich die Gruppe von 17 FDJlern kaum erweiterte, aber wir nützten uns und anderen. Es war nicht die große Politik, die anzog, sondern es waren in erster Linie die unmittelbaren Interessen der Jugendlichen, an die wir anknüpften. Natürlich blieb unser Tun nicht unbeachtet, und so erschien Reinsdorf manchmal auf der Kreisseite der Volkswacht .
Im Frühjahr 1959 durfte ich zum ersten Mal in einem Präsidium sitzen, das war auf der Kreisdelegiertenkonferenz der FDJ. In der Diskussion berichtete ich über die Aktivitäten meiner Freunde und unsere Erfahrungen. Mit dem mir angeborenen Streben nach Vollständigkeit hatte ich alles aufgezählt, was wir so machten und wie wir das zustande gebracht hätten. Andere Dorfgruppen konnten da offenbar nur schwer mithalten. Das wunderte mich sehr, denn wir hatten ja gerade erst angefangen, während andere schon viel länger existierten. So nahm das Schicksal seinen Lauf. Ich erfuhr Anerkennung, die, wie ich es empfand, weit über der erbrachten Leistung lag, und landete auf der Kandidatenliste für das Präsidium des VI. Parlaments der FDJ, das vom 12. bis 15. Mai 1959 in Rostock stattfand. Im Protokoll wurde ich geführt als »Erich Postler, FDJ-Gruppenleiter und Einzelbauer im Bezirk Gera«. 2
Das war natürlich nicht korrekt, denn ich war noch Lehrling auf dem elterlichen Hof und hatte dies stets bekundet. Aber ich wurde den Einzelbauern nie los und habe zu dementieren irgendwann aufgegeben. Wie ich bald merkte, ging es auch gar nicht um meine konkrete soziale Stellung, sondern darum, dass ich ein Jugendlicher aus der privaten Landwirtschaft war, unter denen die FDJ damals kaum Einfluss hatte. Meine Freunde von der Bezirksleitung Gera, die mich auf dem Parlament zu reden aufforderten, wollten, dass die Delegierten – gleichsam aus berufenem Munde – zu einem sehr aktuellen Thema eine authentische Meinung zu hören bekamen: zur Umgestaltung der Landwirtschaft, dem Übergang zum genossenschaftlichen Wirtschaften. Es kann gut sein, dass wir vom Ergebnis unterschiedliche Vorstellungen hatten, aber für manche meiner Argumente hatten sie sogar die Fakten geliefert.
So angeregt gab ich meine Wortmeldung ab und machte mich an die Formulierung. Ich schrieb abends und nachts nach den Beratungen in einem Privatquartier für Delegierte in Warnemünde, das ich mit Heinz Przibylla teilte, einem Hauer der SDAG Wismut und Held der Arbeit. Ein Glück, dass ich nicht am ersten, sondern erst am dritten Beratungstag dran war. Ich hätte keine Zeile gehabt. Keiner hatte meine Rede vorher gesehen, keiner wollte sie sehen. Nur meinem Quartierkollegen Heinz las ich die kritischen Stellen vor. Der bestärkte mich, und so ging ich zwar hinreichend aufgeregt, aber ohne Argwohn in den neuen Beratungstag und noch am Vormittag ans Mikrofon. Noch nie hatte ich vor so vielen Leuten gesprochen, und ich war auch noch nie so weit weg von meinem Dorf. Rückblickend wundere ich mich immer wieder über meine damalige Courage.
Ein Desaster. Der Saal murrte, war über weite Strecken empört, meine Förderer zeigten sich enttäuscht bis entsetzt. Nur der festen Überzeugung von der Richtigkeit meiner Meinung kann ich es zuschreiben, dass ich das Manuskript bis zur letzten Zeile vortrug.
Was war geschehen?
Es begann damit, dass ich eine Passage im Referat des 1. Sekretärs des Zentralrats, Karl Namokel, kritisierte, der die Ausbildung an der Sense für nicht mehr zeitgemäß hielt, was ich nicht verstehen konnte. Ich stellte unumwunden klar, dass die FDJ unter der einzelbäuerlichen Jugend kaum Einfluss habe und beschwerte mich, dass man mich als Vorzeige-Bauer benutzte. Ich fand es ungerecht, dass im Präsidium des Parlaments zwar fünf FDJler aus LPG und VEG säßen, aber ich sei der einzige, der aus der privaten Landwirtschaft käme.
Wenn von der Landjugend die Rede ist, so kritisierte ich, blieben die jungen Einzelbauern unbeachtet. Sodann versuchte ich zu vermitteln, was in den Köpfen von Einzelbauern und ihren Kindern vor sich gehe, wenn sie über den Eintritt in
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