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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Musik und singen.«
    »Ja, aber ein Klub ist das nicht.«
    »Aber ein Chor auch nicht.«
    »Na gut, vielleicht trifft es chorische Bewegung besser?«
    »So ähnlich«, sage ich, weil Günther Jahn mit den Augen rollt. Ich lerne etwas über Langzeitgedächtnis im Alter und frage mich später noch oft, warum Walter Ulbricht das Wörtchen »Klub« derart suspekt war. War es wegen dieser Petöfi-Klubs oder der polnischen, tschechischen und deutschen Abarten, die von Zeit zu Zeit den Sozialismus therapieren wollten und in deren Nähe wir keinesfalls geraten durften? Eine unnötige Sorge.
    Am Tag nach dem Fototermin jedenfalls kauft meine Großmutter alle in der DDR-Hauptstadt erhältlichen Tageszeitungen und schneidet die eigentlich identischen Lichtbilder aus. Der Enkel mit Ulbricht. War schon richtig, den Jungen, wenn auch spät, in die Pioniere gehen zu lassen.
    Nicht allein Peter Hacks’ unverstellter Blick auf die Ära Ulbricht hat mich beschämt. Eigentlich konnte man alles wissen, sein Urteil jederzeit an Dokumenten schärfen, wenn man nur souverän genug war, dem Zeitgeist zu trotzen, sobald der zu radieren begann. Aber ich sah nur, dass der Zeitgeist Stadien und Chemiewerke nicht mehr nach lebenden Staatsmännern benennen wollte, dass er sich anschickte, die sozialen Lebensbedingungen zu verbessern und sich verstärkt der Jugend zuzuwenden.
    Meine Euphorie verwies eine ausgewogene Bewertung der politischen Eigenarten und Brüche Walter Ulbrichts in die Warteschleife. Darin seine Deutschlandpolitik, seine ökonomischen Versuchsanordnungen, sein ambivalentes Verhältnis zu den Ideen in Prag und manches andere, was heutige Neugier auf frühe sozialistische Geschichte und linke Potenziale wieder erfragt. Mit diesem unbemerkten Mangel kam ich in der Ära Erich Honeckers an. Wegen der wirtschaftlichen Probleme, der Wohnungsknappheit, der Versorgungsengpässe legte ich meine Hoffnungen in die Politik des VIII. Parteitages. Aus der Geschichte seither ist vieles zu lernen. Auch dies: Es gibt keine Hoffnung ohne ehrliches Erinnern.
    Aus den (bislang unveröffentlichen) Erinnerungen von Hartmut König

Erik Neutsch
    »Niemand hat die Absicht, in ihr Schaffen hineinzupfuschen«
    Erik Neutsch, Jahrgang 1931, nach dem Abitur Studium an der Leipziger Universität 1950 bis 1953, Abschluss als Diplomjournalist, danach bis 1960 Kultur- und Wirtschaftsredakteur bei der Hallenser Tageszeitung »Freiheit«. Anschließend freier Autor. Seit 1964 Mitglied der Bezirksleitung Halle der SED (bis 1989), ab 1974 Mitglied der Akademie der Künste. Sein Buch »Spur der Steine« (1965 von der DEFA verfilmt) gehört zu den erfolgreichsten der DDR-Literatur. Von dem seit den 70er Jahren publizierten Romanzyklus »Der Friede im Osten« über die Geschichte der DDR erschienen jeweils ein Band 1974, 1978, 1985 und 1987. Der fünfte Band, aus dem Neutsch vorab diesen Beitrag zur Verfügung stellte, ist noch nicht beendet. In der Geschichte geht es um eine Treffen Ulbrichts mit Schriftstellern und Malern im Staatsratsgebäude im Januar 1971.
    E s geschah nicht zum ersten Mal, dass Achim nun, seit er schrieb, seine Thesen vom sozialistischen Realismus verteidigen musste, obwohl er selbst ihn so nicht nannte, zwar vom Realismus sprach, ihn aber, in der Aufhebung bürgerlicher und allgemein kritischer Kunstrichtungen, von der Höhe des wissenschaftlichen Sozialismus aus gestaltet sehen wollte. Er betrachtete ihn als künstlerische Methode, als ein Mittel, mit ihm die Welt nicht nur abzubilden, das auch, ja, aber vor allem, um in sie einzudringen und ihr Geheimstes aufzudecken, es nach außen zu kehren, sichtbar zu machen.
    Diese Position hatte er auch jüngst erst vertreten, vor ein paar Wochen im Januar, nachdem ihm zu seiner Überraschung außerhalb des Postweges ein Brief mit der Nachricht zugestellt worden war, in Berlin an einer Aussprache mit Walter Ulbricht über Kunst und Literatur teilzunehmen.
    Verwundert war er darüber auch deshalb, weil Walter Ulbricht, da das Gespräch laut Text der Präzisierung kulturpolitischer Aufgaben des Parteitages dienen sollte, die Einladung nicht als Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED unterzeichnet hatte, sondern als Vorsitzender des Staatsrats der DDR, wenngleich er beide, die höchsten Funktionen im Lande, in Personalunion vereinigte. Am Akademieinstitut blieb ihm nichts anderes übrig, als sich erneut für ein oder zwei Tage freistellen zu lassen, was ihm zwar zugestanden werden musste, da es sich

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