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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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»Clara Zetkin« aus Banzkow im Bezirk Schwerin erschienen. Er suchte junge Kader für seine Genossenschaft und schwärmte von den Perspektiven, die unsereinen dort erwarteten. Allerdings hatten wir bereits unsere Absolventenverträge in der Tasche, die unseren Einsatz in Thüringen vorsahen. Dennoch folgten zwei seiner Einladung. Wir sahen uns drei Tage in Banzkow um und waren begeistert. Wir lösten unsere Verträge in Thüringen und fingen im Norden an.
    Nach einem Jahr war ich Viehzuchtbrigadier, und im Januar 1968 wählten mich die 160 Mitglieder der 1.000 Hektar großen Genossenschaft zu ihrer Vorsitzenden. Ich war damals 24 Jahre alt, mit Martin verheiratet, Mutter eines wenige Monate alten Kindes, Fernstudentin an der Universität Rostock im dritten Jahr.
    Mein Vorgänger hatte den Wechsel sehr einfühlsam mit den Genossenschaftsbauern vorbereitet, sie unterstützten mich in jeder Beziehung und machten dem Namen »Clara Zetkin« alle Ehre. Von den reichen Erfahrungen der Bauern habe ich viel und gern gelernt.
    Die LPG entwickelte sich erfolgreich, und ich durfte sie noch im gleichen Jahr auf dem X. Deutschen Bauernkongress in Leipzig vertreten. Ich berichtete dort über unsere Arbeit. Während einer Pause traf ich, inzwischen also zum zweiten Mal, auf Walter Ulbricht, der von einer Traube umringt war und diskutierte. Er wurde begleitet von Willi Stoph und Georg Ewald, dem Landwirtschaftsminister. Neben mir stand Else Götze von der LPG Görzig, die bereits landesweit bekannt war. Vor einigen Jahren hatte dort, im Kreis Köthen, eine mehrtägige Fachtagung zum vollmechanisierten Zuckerrübenanbau stattgefunden, auf der sich anderthalbtausend Praktiker, Wissenschaftler und Studenten über den Stand der Mechanisierung informierten. Es waren acht verschiedene Ernteverfahren demonstriert worden, wobei der Geräteträger RS 09 die mit Abstand wichtigste Arbeitsmaschine war. Der Traktor fand in der Landwirtschaft der DDR derartige Verbreitung, dass etwa beim Bau von Stallgebäuden seine Spurbreite, Höhe und Wendekreis berücksichtigt wurde.
    Mir lief das Herz über, ich redete munter drauflos, und als Ulbricht ging, hörte ich ihn zu seinen Begleitern sagen: »Eine junge Bäuerin spricht selbstbewusst über den Aufbau moderner Dörfer. Wo hat es das vor zehn Jahren schon gegeben?« Damit hatte er gewiss recht: In den 60er Jahren war die Entwicklung auf dem Lande gewaltig vorangekommen.
    1969 wurde die DDR 20. Ich war neben meiner Berufstätigkeit noch immer aktiver FDJler. Der Zentralrat der FDJ lud einige Jugendliche aus Anlass des Republikgeburtstages nach Berlin ein. Wir landeten im Friedrichstadtpalast in der bekannten Fernsehsendung mit Hans-Georg Ponesky »Mit dem Herzen dabei«. Vor mir saß Landwirtschaftsminister Georg Ewald mit seiner Gattin. Während der Sendung kam Ponesky mit einem Blumenstrauß von der Bühne und drückte mir diesen in die Hand, der sei für mich abgegeben worden. Das wiederholte sich im Laufe des Abends noch zwei Mal. Dann löste sich alles auf. Sie spielten einen Film ein, der während meiner Abwesenheit in unserem Dorf gedreht worden war. Und dann war auch ich bei der Arbeit und mit meiner Familie zu sehen, wir waren inzwischen zu viert. Dann ging das Licht an, und Minister Ewald bekam ein Mikrofon gereicht und erklärte, dass auf höchster Ebene beschlossen worden sei, mich mit dem Titel »Held der Arbeit« auszuzeichnen. Im Saal gab es daraufhin einen riesigen Applaus, aber ich nahm alles nur im Unterbewusstsein wahr, und die Tränen trübten meinen Blick.
    Dann aber kam die Frage auf: Was ziehe ich zur Auszeichnung im Staatsratsgebäude an? Nun, ein FDJler trägt seine blaue Bluse, einen schwarzen Rock und Absatzschuhe, mit denen ich, sonst an Gummistiefel gewöhnt, noch einigermaßen sicher laufen konnte. So vorbereitet betrat ich das Staatsratsgebäude und wurde zu dem für mich vorgesehenen Platz geleitet. Neben mir saß Lotte Ulbricht. Sie zog mich gleich ins Gespräch, ich spürte die vielen Blicke in meinem Rücken. Lotte schaute auf meine weißen Pumps, schüttelte den Kopf und meinte nur, dass die nun überhaupt nicht zu meinem Rock passten. Es hätten zu diesem feierlichen Anlass schwarze sein müssen.
    Als ich nach vorn gerufen wurde, um von Walter Ulbricht und Gisela Höppner meine Auszeichnung in Empfang zu nehmen, hatte ich das Gefühl, dass der ganze Saal auf meine Füße starrte. Meine Knie waren weich wie Butter.
    Wenige Wochen später kam ein Paket von Lotte

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