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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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tun war, um den LPG-Bauern zu helfen.

Klaus Steiniger
    Nicht nur Soldaten sollten für Ordnung im Spind sorgen
    Klaus Steiniger, Jahrgang 1932, Sohn eines Berliner Rechtsanwalts, verlor zahlreiche Verwandte in Auschwitz. Mit 16 trat er in Westberlin der SED bei. Nach Übersiedlung in den Ostteil Berlins Jura-Studium. Später Staatsanwalt, Bürgermeister und Redakteur des Deutschen Fernsehfunks. Ein Jahr nach der Promotion 1966 wechselte er in das Außenpolitikressort der Tageszeitung Neues Deutschland , deren Redaktion er bis Ende angehörte. Seit 1998 ist er Chefredakteur der Monatszeitschrift »RotFuchs«.
    I ch bin Walter Ulbricht persönlich nur sehr periphär begegnet, allerdings in »historischer Stunde«. Im Oktober 1949 stellte mich ihm mein Vater Peter-Alfons Steiniger im späteren Haus der Ministerien vor. Im Steinsaal des klotzigen Gebäudes hatte ich, knapp 17, in dem nur durch eine rote Kordel abgetrennten winzigen Zuschauerbereich an der Gründung des Staates DDR teilnehmen können. So war ich dabei, als die jüngste Abgeordnete der Provisorischen Volkskammer Margot Feist dem gerade zum Präsidenten gewählten Wilhelm Pieck im Namen des Hohen Hauses gratulierte.
    Die Ära, in der Parteiführer vom Format Wilhelm Piecks, Otto Grotewohls, Walter Ulbrichts, Heinrich Raus, Hermann Materns und Bruno Leuschners eine ganze Generation aufbauwilliger und engagierter junger Menschen zu begeistern vermochten, ist jenen, welche folgten, nur ansatzweise vermittelbar. Damals gab es noch keinerlei Abstand zwischen »großen« und »kleinen« Genossen, erstickte kein übertriebenes Protokoll die physische und emotionelle Nähe. Viele Funktionäre waren aus Klassenkämpfen des Proletariats, nicht aus Machtkämpfen im Apparat hervorgegangen. Die Partei verflachte noch nicht zu einer Karrieristen anziehenden »Massenorganisation« und wurde daher vom klassenbewussten Teil der Arbeiterschaft als echte Vorhut empfunden.
    Als die Pionierrepublik 1952 in der Berliner Wuhlheide eröffnet wurde, war die DDR noch keine drei Jahre alt. Als höchster Ehrengast konnte der Staatspräsident begrüßt werden. Nach einem kurzen »Festakt« sah sich Wilhelm Pieck ein wenig auf dem weitläufigen Gelände um. Es ergab sich ganz zufällig, dass ich mich zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade mit drei oder vier anderen Genossen, unter denen vielleicht auch ein »Leibwächter« war, direkt an seiner Seite befand. Da rief uns plötzlich ein älterer Mann von proletarischem Aussehen, der irgendwo am Wegesrand stand, sieben eindringliche Worte zu: »Passt ja auf den ollen Willem auf!«
    Die kleine Szene widerspiegelt Großes: Das Staatsoberhaupt jener Zeit war in den Augen dieses Arbeiters der »olle Willem« geblieben. Wäre eine solche Wärme und Nähe auch später noch denkbar gewesen?
    Otto Grotewohl war ebenfalls ein Politiker »zum Anfassen«. Das erste Mal begegnete ich ihm am Eingang zum Klub der Kulturschaffenden in der Jägerstraße, der damals – lange vor der Eröffnung des Künstlerklubs »Die Möwe« – ein beliebter Treffpunkt der Berliner Intellektuellen war. Dort stellte mich mein Vater dem landesweit bekannten Parteiführer vor. »Ich heiße Otto Grotewohl«, sagte dieser zu mir fast noch Halbwüchsigem.
    Grotewohl galt als besonders schlagfertig. Im Senatssaal der Humboldt-Universität sprach er gelegentlich zu Professoren, wobei er sich beim Zitieren einer Marx-Äußerung irrte, indem er dem großen Alten die Worte zuordnete, Kriege seien stets die Lokomotiven der Geschichte gewesen. Als ihm daraufhin ein den Originaltext kennender Teilnehmer aus dem Publikum zurief, Marx habe aber die Revolutionen als Lokomotiven der Geschichte benannt, ließ sich Grotewohl nicht aus der Ruhe bringen und erwiderte: »Die Kriege auch!«
    Als der chinesische Regierungschef Tschou En-lai, nachdem ihm mein Vater als Dekan der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität den Ehrendoktortitel verliehen hatte, bei einer Veranstaltung im Auditorium Maximum durch Grotewohl begrüßt werden sollte, war unserem Ministerpräsidenten der Name des hohen Gastes aus Fernost plötzlich abhanden gekommen. So zählte er nacheinander sämtliche Ämter und Funktionen des gerade Geehrten auf. Als ihm die »Munition« auszugehen drohte, eilte ein aufmerksamer Beobachter des Geschehens zum Podium, um Grotewohl in letzter Sekunde einen rettenden Zettel zu reichen. Aufatmend sagte dieser: »Genossen Tschou Enlai«.
    Das Feld der Großen jener Tage aber wurde

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