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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Klassen und Schichten. In ökonomischer Hinsicht war dies für die ganze Bevölkerung von Vorteil, weil die kleinen und mittleren Betriebe einen beträchtlichen Anteil an der Produktion von Konsumgütern hatten und so einen wichtigen Beitrag für die Versorgung leisteten. In sozialer Hinsicht war es viel effektiver, die Fähigkeiten und die Arbeit dieser Schichten zu erhalten, als sie durch eine schnelle und vollständige Überführung ihrer Produktionsmittel in gesellschaftliches Eigentum zu entwurzeln und in eine ungewisse soziale Situation zu bringen. In politischer Hinsicht war es zweifellos für die ganze Gesellschaft vorteilhafter, politische Konflikte zu vermeiden und allen Kräften die Möglichkeiten zu geben, sich aktiv am Wiederaufbau zu beteiligen und dabei auch ihre Interessen zur Geltung zu bringen. In gemeinsamen Beratungen der Parteien wurden dabei Wege und Methoden gesucht, alle aufbauwilligen Kräfte in die langfristige Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft einzubinden, ihren Interessen Rechnung zu tragen und ihnen eine Perspektive zu bieten. Walter Ulbricht ging dabei sogar so weit, bereits von einer »sozialistischen Menschengemeinschaft« zu sprechen. Wenn das in mancher Hinsicht auch noch mehr eine Zielvorstellung als eine gesellschaftliche Realität war, denn erhebliche Interessenunterschiede existierten in dieser Gemeinschaft unverändert, so drückte es doch den Wunsch und das Bestreben der herrschenden Klassenkräfte der neuen Gesellschaft der DDR aus, die Interessen aller Bevölkerungsschichten zu berücksichtigen und Konsens zu suchen.
    Das widersprach sehr entschieden der These Stalins von der Verschärfung des Klassenkampfes im Sozialismus, aber es entsprach völlig der These von Marx, dass der aus Interessengegensätzen resultierende Klassenkampf zwar nicht völlig vermieden werden könne, die Zeit der Umgestaltung der Gesellschaft zum Sozialismus aber ein rationelles Zwischenstadium sei, in dem dieser Klassenkampf in den humansten Formen geführt werden könne und solle, so dass gesellschaftliche Verluste minimiert werden.
    Das war ein völlig anderes Herangehen auch an das Problem der Anwendung von Gewalt und gewaltsamer Methoden in der Übergangsperiode und im Sozialismus, als es seinerzeit von Stalin praktiziert wurde, der Gewalt und gewaltsame Methoden für effektiver hielt als Überzeugung und Zusammenarbeit, was in der Praxis aber zu großen gesellschaftlichen Verlusten führte.
    Auch im Hinblick auf das politische System und die Verfassung der sozialistischen Gesellschaft ging Walter Ulbricht zunehmend einen eigenen Weg, der sich von dem des sowjetischen Systems unterschied, welches die meisten sozialistischen Länder mit gewissen Modifikationen übernommen hatten.
    Unmittelbar nach der Befreiung vom Faschismus hatte die Sowjetische Militäradministration die Bildung antifaschistisch-demokratischer Parteien zugelassen. So entstanden die Kommunistische Partei und die Sozialdemokratische Partei wieder, die sich 1946 zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands vereinigten, und die Christlich-Demokratische Union sowie die Liberaldemokratische Partei. Dank den intensiven Bemühungen Wilhelm Piecks, Walter Ulbrichts und auch Otto Grotewohls waren diese Parteien übereingekommen, beim Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung eng zusammenzuarbeiten und alle an der Verantwortung zu beteiligen. Im Herbst 1946 fanden die ersten freien demokratischen Wahlen zu den Landtagen statt, wobei die Parteien mit ihren konkurrierenden Listen gegeneinander antraten. Die vereinigte Arbeiterpartei besaß im Ergebnis dieser Wahl das größte politische Gewicht, weil sie in allen Landtagen eine relative und teils auch absolute Mehrheit errang. Gemäß der getroffenen Vereinbarung wurden aber trotzdem alle Parteien an den Regierungen und Verwaltungen mit verantwortlichen Funktionen beteiligt. Es wurden also keine Bündnisse gebildet, welche zum Gegensatz von Regierung und Opposition führten, sondern Koalitionen, an denen alle Parteien beteiligt waren.
    Diese sogenannte Blockpolitik vereinigte alle politischen Kräfte in der gemeinsamen Verantwortung für den demokratischen Neuaufbau. Obwohl es später in verschiedenen Parteien zu Auseinandersetzungen über die Fortsetzung der Blockpolitik kam, setzten sich die Führungskräfte durch, welche an dieser vereinbarten Linie festhielten. Daher wurde sie auch nach der Gründung der DDR beibehalten. Dementsprechend wurden alle Parteien –

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